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AutorenbildMaj & Rouven

Bahamas - Dunkle Wolken

NEW PROVIDENCE | NASSAU


Wie schon bei unserer dramatischen Landung auf Kuba, sollten wir auch beim Landeanflug auf Nassau in Turbulenzen und Starkregen verwickelt werden. Der Himmel nahm die Gestalt eines schwarzen Mantels an und umhüllte unsere kleine Maschine vollkommen. Erneut gingen Stoßgebete an die Adresse wenige Meter über unseren Köpfen und das Flugzeug ruckelte sich Stück für Stück der Landebahn entgegen. Diesmal klappte es zu unserer Erleichterung beim ersten Versuch und wir konnten durchatmen. Die Bahamas begrüßten uns mit dunklen Wolken.



Und bevor dieser Text seine Form annimmt, muss ich zugeben, dass die Zeit der letzten 10 Tage auf den Bahamas nur schwer in Worte zu fassen ist. Die Erwartungen der Leser an den folgenden Eintrag werden viel blaues, karibisches Wasser und traumhafte Strände beinhalten. Auch wir erwarteten zugegebenermaßen nichts anderes. Allein der Name „Bahamas“ klingt nach einem Versprechen. Doch es sollte alles anders kommen…

So empfing uns am Flughafen von Nassau, neben dem kräftigen Gewitter und Regen, unsere sehr freundliche Gastgeberin „Shonnel“. Ausgesprochen klingt der Name wie „Chanel“, was wiederum zum Klientel mit dazugehöriger Kaufkraft auf den Bahamas passt. Sie brachte uns direkt zu einem Supermarkt, damit wir uns mit Lebensmitteln für die nächsten Tage eindecken konnten. Ohne Auto ist die Fortbewegung auf Nassau eher schwierig und wir waren dankbar für ihre Hilfe. Im Einkaufszentrum angekommen, ergötzten wir uns an der großen Auswahl. Endlich wieder Verhältnisse wie in Deutschland. Voller Elan schnappten wir uns einen Einkaufswagen und wollten unsere lange Liste an Lebensmitteln abhaken. Ich schritt schnurstracks zum Obst und Rouven Richtung Bier. Gute zwei Minuten dauerte es, bis wir beide ohne Ware wieder beieinander standen. Konnte das von uns Gesehene tatsächlich der Wahrheit entsprechen? Befanden wir uns in einer Wirtschaftskrise oder hatten die Bahamiens einen schlechten Sinn für Humor? Die Preise im Supermarkt versetzten uns in einen Zustand des Schocks und wir fühlten förmlich unser Weltreisebudget dahinschmelzen und den Igel in unserer Tasche wachsen… So standen wir ein paar Minuten reglos den einkaufenden Leuten im Weg und strichen, nicht überlebenswichtiges von unserer Liste. Sollte 1 x Apfel tatsächlich 4 $ kosten? Und 1 x Zwiebel 3 $? Und eine vegetarische Tiefkühlpizza war tatsächlich mit 16 $ dotiert. Als wir aus unserem Trance ähnlichen Zustand wieder erwachten, fragten wir vorsichtshalber einen Angestellten, der die traurige Realität ohne großes Mitleid bestätigte. Nach etlichen Preisvergleichen und ewig langem Rechnen, zahlten wir für einen halb gefüllten Einkaufswagen etwa soviel, wie in Deutschland für einen ganzen Rewe Markt, samt Personal.

Willkommen auf den Bahamas, willkommen Privatinsolvenz!



In der Unterkunft bereiteten wir unsere Leibspeise „Bolo“ zu und das Gewitter wütete draußen richtig los. Die Wetterprognose für die folgenden Tage war ähnlich düster, wie der Lichteinfall unseres Apartments. Für uns stand ohnehin die Weiterplanung der Reise an und diverse Buchungen mussten vollzogen werden. Zwei Wochen mit Internetflaute auf Kuba mussten wieder eingeholt werden. Daher kam uns das schlechte Wetter nicht ungelegen.

Dass es neben den dicken Tropfen vom Himmel, vermehrt Hiobsbotschaften regnen wird, war uns bei Ankunft auf den Bahamas noch nicht bewusst.

Die Wetter-App sollte recht behalten und es regnete die komplette Nacht hindurch und auch am Folgetag hingen schwere Wolken am Himmel. Fleißig setzten wir uns an den Laptop, das iPad und die Handys und arbeiteten unsere To Do Liste ab. Viele Punkte hatte Rouven zusammengetragen, die es nun abzuhaken galt. Einige Meilensteine unserer Reise hatten wir bereits aus Deutschland gebucht. Nun war es an der Zeit, die nächsten Flüge, Unterkünfte, Visa, Routen etc. zu planen und zu buchen. Auch beim Reisen ist eben nicht immer alles nur Sonne, Strand und Sangria.

Punkt für Punkt konnte von der Liste gestrichen werden und parallel dazu, kommunizierte ich mit meiner Familie über die bevorstehenden Ziele. Nach den Bahamas geht es für uns in die USA und zeitnah auch nach New York City. Eine Stadt, mit ihrer unvergleichlichen Strahlkraft ausgestattet, die auch meine Familie reizt. Da mein Vater arbeiten muss, meine Mutter und mein Bruder sich kurzfristig frei nehmen können, war schnell beschlossen, dass sie uns in New York besuchen kommen. Ich war vollkommen aus dem Häuschen und meine Gedanken kreisten ständig um das bevorstehende Wiedersehen. Doch mit der Freude nahm auch die Tragödie seinen Lauf. Die Flugtickets waren unverhältnismäßig teuer und die Unterkunftssuche eine Farce. Immer wieder schmiss ich die Suchmaschine an und die Preise der Flüge von Deutschland in den Big Apple schwankten wie ein Seismograph auf einer Hüpfburg.

Airbnb hatte ich mehrfach auf Links gezogen und buchte schlussendlich ein nettes Apartment mitten in Manhattan am Central Park gelegen. Ausreichend Platz für vier Personen, ein super Preis für die Lage und die Buchung war bereits bestätigt. Einfach perfekt! Rouven arbeitete währenddessen akribisch die Liste ab und ich checkte erneut die Flüge… Zugegeben, für die restlichen To Do’s war mein Kopf nicht mehr frei. Meine Gedanken drehten sich wie ein Helikopter um die Weltmetropole und auch nachts fand ich kaum Ruhe. Es gibt einfach Momente im Leben, da lassen sich Emotionen und Gedanken nur schwer kontrollieren. Nach der ersten Euphorie, brachte uns Airbnb kurze Zeit später den ersten Dämpfer.

Die penibel ausgesuchte Unterkunft in New York Manhattan wurde seitens des Gastgebers storniert. Das Geld war bereits abgebucht und so kontaktierten wir den Support von Airbnb. Diese Buchungs-Plattform hatten wir immer als zuverlässig kennengelernt und erwarteten nichts anderes als eine angemessene Entschädigung und eine Rückmeldung seitens des Kundendienstes. Auf diese Entschädigung oder auch nur einer Entschuldigung warten wir bis heute vergebens (Stand 01.07.2019). Denn eine Antwort auf unsere Supportanfrage erhielten wir lange nicht. Irgendwann meldete sich eine Alexandra G. mit knappen Worten und dem Versprechen, dass wir einen 50 $ Gutschein erhalten sollten. Darüber hinaus erhielt ich eine Liste mit weiteren Vorschlägen für Unterkünfte, allesamt doppelt so teuer und in einer vollkommen dezentralen Lage. Vielen Dank, für die Hilfe. In unserem Zeugnis über sie würde stehen, dass Frau Alexander G. stets bemüht war.

„Immerhin einen Gutschein“, dachten wir uns und buchten eine neue Unterkunft. Das Geld ging erneut vom Konto und wir freuten uns, dass wir nach dem Rückschlag noch eine schöne Bleibe gefunden hatten. So vergingen die ersten zwei Tage ohne viel Tageslicht, welches durch die dunklen Wolken am Himmel sowieso rar gesät war. Einen Spaziergang am Strand und ein kurzer Sprung ins Wasser, sollten unseren Köpfen wieder etwas Frische verleihen.




Doch der dreiminütige Fußweg zum Meer war kein leichter. Um den Strand zu erreichen, mussten wir lediglich eine Landstraße überqueren. Diese hatte es aber in sich! Die „Death Road“ in Bolivien war nichts gegen den Nervenkitzel, der uns hier erwartete. Es gab kaum eine Möglichkeit die Straße zu queren und Bordsteine für Fußgänger waren schlichtweg nicht vorhanden. Nur dichtes Buschwerk war am Wegesrand gewachsen, in das man sich mit einem verzweifelten Rettungssprung vor herannahenden Trucks retten konnte.

Während einer von uns beiden nach den Autos Ausschau hielt, sprintete der andere los. Es war jedes Mal eine Erlösung, wenn wir heile am Strand angekommen waren. Das Wasser, das uns mit seinem kühlen türkisblau empfing, entschädigte für jeglichen Stress.

Zurück in der Unterkunft, erhielt ich erneut eine Hiobsbotschaft. Auch die zweite gebuchte Unterkunft in NYC wurde uns abgesagt. Die Gastgeber schienen dort ähnlich verbindlich, wie zu einem Tinder-Date und wir waren nur noch genervt. Genervt von den „Gastgebern“, genervt von „Airbnb“. Wir wendeten uns erneut an den „Service-Support“ von dieser Plattform und aus Minuten des Wartens auf eine Antwort wurden Stunden und daraus Tage. Wir wurden auf sämtlichen Kanälen von Airbnb ignoriert. Immer wieder bemühte ich mich, um die Aufmerksamkeit des Portals, sendete Nachrichten und checkte parallel die noch verfügbaren Unterkünfte. Die abzuarbeitende Liste war derweil noch immer nicht fertig. Ich war völlig gefangen im New York Fiber, unser Konto wurde dank Airbnb immer leerer und Rouven übte sich in Geduld, was bekanntermaßen nicht zu seinen Stärken zählt.

Als wenn unsere Nerven nicht schon genug strapaziert waren, feierten unsere Nachbarn einen 24 Stunden Partymarathon.

Und wie überall in der Karibik schien auch hier die Musik ausschließlich aus diversem Technomix der 90er Jahre zu stammen.

Irgendwie hatten wir uns das anders vorgestellt. Um aus dieser Übellaunigkeit, dem Trott und den dunklen vier Wänden zu entfliehen, buchten wir bei unserer Gastgeberin für den folgenden Tag eine Tour über die Insel New Providence mit ihrer Hauptstadt Nassau. Sie arbeitet unter anderem als Touristenguide auf der Insel und versprach uns eine private Tour.

Zumindest für einen Tag konnten wir unsere Sorgen hinter uns lassen oder verdrängen und wir genossen es, endlich die Insel zu entdecken.








Der Tapetenwechsel tat uns gut und die Genervtheit der letzten drei Tage verflüchtigte sich in diesem Moment.

Wir fuhren im klimatisierten Gefährt durch die Gegend bis Downtown und lauschten gespannt der Geschichten von Shonnel.

Über eine große Brücke gelangten wir nach „Paradise Island“, die das Resort „Atlantis“ beherbergt. Der Name war Programm. Eines der größten Resorts weltweit erstreckt sich nahezu über den gesamten Inselabschnitt. Wir stiegen aus und erkundeten diesen merkwürdigen Ort.






Die Massen an Kreuzfahrern kamen uns bereits entgegen und um diesen zu entfliehen, steuerten Rouven und ich zunächst das Casino an. Bei unserer „Glückssträhne“ dachten wir uns, riskieren wir 1 $ und knacken direkt den Jackpot. Noch ehe wir dem einarmigen Banditen am Arm ziehen konnten, hatte der Automat bereits unseren „George Washington“ verschlungen.

Während die Touristen munter ihre Devisen im Casino verspielten, erfuhren wir, dass das Glücksspiel im Casino für Einheimische per Gesetz verboten ist. Als Croupiers dürfen die Bahamiens aber selbstverständlich fungieren und den vorwiegend amerikanischen Urlaubern Unterhaltung bieten.




Wir streunerten noch ein wenig herum und fanden uns im Outdoorbereich des riesigen Resorts wieder.

Nach einigen Abzweigungen, standen wir plötzlich im Aquarium, das eines der angeblichen Highlights der gesamten Insel sein sollte. Die Angestellten des trashigen Resorts, die der untergegangenen Welt „Atlantis“ nachempfunden ist, hatten wohl nicht richtig aufgepasst. Denn Zutritt hätten wir hier eigentlich nicht haben sollen. Wir schlenderten durch die Gänge, beobachteten die Meeresbewohner und stellten erneut fest, dass Tiere in Gefangenschaft einfach nicht unser Ding sind.




Auch der künstlich aufgeschüttete See, der sich vor dem Aquarium befindet, sah total kitschig und wenig einladend aus. Die immer fauler und fetter werdenden Touristen saßen auf Ihren Plastikstühlen soweit im See, dass nur noch ihre Oberkörper rausschauten. In der rechten Hand eine Cola und in der linken die Chipstüte. Hauptsache so wenig wie möglich bewegen und dabei nicht schwitzen. Wenige Meter entfernt liegen die schönsten Strandabschnitte der karibischen Landschaft und warten nur auf die Bewohner des Resorts. Diese aber bevorzugen die künstliche Welt und entscheiden sich für ein uringetränktes Chlorbad mit Entertainmentprogramm.

Was für eine merkwürdige Welt!?




Nach unserer Stippvisite, trafen wir Shonnel zurück am Auto und erzählten ihr von unserem Erlebnis. Sie lachte bei unserer Aquarium Story kurz auf und informierte uns, dass der Eintritt normalerweise 45 $ pro Person beträgt und wir Glück gehabt haben dort so reingestolpert zu sein. Bei der Gelegenheit fragte ich direkt nach den Preisen für einen Ausflug zu den schwimmenden Schweinen auf der Insel Exuma.

Immerhin wollte ich an meinem 29. Geburtstag, der in vier Tagen anstand, etwas wundervolles auf den Bahamas erleben. Die Antwort kam direkt und traf uns mitten ins Gesicht. 400 $ pro Person sollten wir lediglich für den Transport berappen. Das überstieg unser Limit komplett und somit mussten wir uns etwas anderes überlegen. Da auch alle anderen Ausflüge unser Budget bei weitem überschritten, blieb uns keine Wahl. New Providence wird die einzige Insel der Bahamas bleiben, die wir besuchen werden. Die Frustration über die hiesige Preispolitik stieg und wir wunderten uns nicht mehr, wieso wir die einzigen Rucksacktouristen auf dieser Insel waren. Dass die Bahamas eines der teuersten Länder der Welt ist, war uns im Vorfeld bewusst. Die hier ausgeschriebenen Preise jedoch, überstiegen alle vorher durchgespielten Szenarien.

Wir fuhren noch einige Ecken der Insel ab, schlenderten bei Sonnenschein durch die Straßen Downtowns und genossen das Ambiente. Ein Weintasting lockte uns an und wir schlugen bei einem Angebot des Weinhändlers zu. Wir durften eine Weinflasche, Marke Hauswein, selbst labeln. Da wir in den kommenden Tagen nicht nur meinen Geburtstag, sondern auch unseren 4. Jahrestag zu feiern hatten, kauften wir eine Flasche und tauften sie „A lovely Day“. Das wird ein Fest geben!



Zurück im Apartment erhielt ich noch immer keine Rückmeldung von Airbnb. 1.300 € waren vom Konto verschwunden, zwei Stornierungen hatten wir bereits erhalten, noch immer keine Unterkunft zu Viert für New York gefunden und auch der Urlaub meines Bruders stand nun auf der Kippe. Jeden Tag wurde es teurer, jede Minute wurden immer weniger Unterkünfte verfügbar und in unserem Apartment auf den Bahamas drehte sich nichts um das Hier und Jetzt, sondern alles um die Zukunft. Unsere Köpfe schwebten irgendwo im Nirgendwo, aber nicht auf den Bahamas.

Immerhin, die Flüge wurden günstiger, der Urlaub meines Bruder war letztlich genehmigt und so schlug meine Familie zu. Die Vorfreude stieg nun endgültig in uns auf und dem Wiedersehen konnte nichts im Wege stehen. Außer dem Übernachten unter einer der vielen New Yorker Brücken…

So vergingen die Tage und die Frustration darüber, sich ausschließlich mit Dingen beschäftigten zu müssen und keine Sekunde die Bahamas zu genießen, stieg ins Unermessliche. Besonders, weil auch der „Service-Support“ von Airbnb kacke ist. Es kam weder eine Nachricht, noch wurde das Geld zurücktransferiert oder Alternativen aufgezeigt. Mittlerweile gab es auch keine Unterkunft, die annähernd unseren Vorstellungen eines schönes Aufenthalts in New York entsprach. Völlig überteuerte Mauselöcher standen zur Auswahl, in denen man höchsten einen kurzen Zwischenstopp einlegen möchte.

Wir waren zwischenzeitlich so bräsig, dass wir uns mit Galgenhumor Abhilfe verschafften und anfingen, irgendwelche Lieder aus dem Deutschen ins Englische zu übersetzten. 1:1 natürlich! Herausgekommen ist ein Klassiker des deutschen Liedguts mit dem allseits bekannten Titel: „Mein Hut der hat drei Ecken, drei Ecken hat mein Hut!“ - „My hat had had three corners, three corners had my hat!“ -> I think I spider…

Um auf andere Gedanken zu kommen, stiegen wir in einen Local Bus, der immer an der „Death Road" vorbei rauscht und fuhren Richtung Westen.

Wenn wir uns schon keine Ausflüge leisten können, dann wollten wir wenigstens die verschiedenen Strände der Insel kennenlernen.

Nach einer halben Stunde Fahrt ließ uns der Busfahrer direkt am "JAW’s Beach“ raus. Er murmelte noch, dass dies keine offizielle Busstation sei und wir den Weg zurück dann anders bestreiten müssen. So stiegen wir aus und realisierten erst später, was er damit gemeint hatte. Nach dem Blick auf die Offline-Karte stellten wir fest, dass die nächstgelegene Bushaltestelle einige Kilometer entfernt lag. Bei sengender Hitze und Temperaturen um 40 Grad, sollte das für uns Fußgänger zu einem Martyrium werden.

Wir verschoben dieses Problem auf später und schlenderten zunächst die letzten Meter zum Strand. Laute Bassmusik und BBQ Düfte strömten uns entgegen. An dem winzig kleinen Strandabschnitt feierten Einheimische eine fette private Party. Na herrlich, das passt ja zu unserem Pech auf den Bahamas. In der Hoffnung, noch einen ruhigeren Platz zu finden, gingen wir ein paar Meter die Küste aufwärts. Es lagen jedoch nur noch dicke Felsen und unpassierbare Wege ins Meer vor uns. Genervt, frustriert und verflucht, beschlossen wir den Heimweg anzutreten. Aber wie? Da wir noch nie getrampt sind und dies auch nie vorhatten, entstand eine gewisse Hemmung die Leute anzusprechen, die sich am Parkplatz in Ihre Autos begaben. So liefen wir einige Meter am Straßenrand, bis wir es endlich wagten den Doppeldaumen zu entblößen. Vielleicht war es Mitleid, vielleicht war es die Freundlichkeit der Einheimischen oder einfach eine Mischung aus Beidem. Direkt beim ersten Versuch klappte es und wir durften auf der Ladefläche eines Pickups mitfahren. Trefferquote 100 %!

Eine windige und wilde Fahrt später, kamen wir durchgepustet und voller Adrenalin an der Bushaltestelle an. Bloß ab nach Hause, über die „Death Road“ zu unserem schönen Hausstrand vor unserer Tür.







Nach den gewittrigen Tagen zu Beginn, war es nun heiß und schwül. Kaum eine Minute ließ es sich ohne Klimaanlage in dem sonst stickigen Apartment aushalten. Noch immer hatten wir einiges zu tun und auch das China Visum, das wir erneut ausfüllen mussten, wartete noch auf uns. Die chinesische Regierung hat während unserer Reise die Visa Bedingungen verändert, wovon auch wir betroffen sind. Bereits in Deutschland hatten wir die Formalitäten allesamt penibel erledigt, damit wir genau solche Dinge nicht auf der Reise erledigen müssen. Machtlos ergaben wir uns der bürokratischen Willkür und versuchten alle Anforderungen zu erfüllen.

Unser 4. Jahrestag stand an und viel hatten wir uns nicht vorgenommen. Wir wollten dem Strand einen Besuch abstatten und uns eigentlich nicht mit dem Thema New York auseinander setzen. Aber das Thema war zu allgegenwärtig, als das man es hätte verdrängen können. Erneut machten wir uns an die Suche für eine passende Unterkunft. Inzwischen schwang Freude und Genervtheit mit, denn permanent war man bei Airbnb gefangen. Entweder man wartete auf eine aussagekräftige Rückmeldung oder suchte Apartments. Von Airbnb erhielten wir nach wie vor keine Hilfe und zur Krönung wurde erneut eine Buchungsanfrage unsererseits abgelehnt. Es war wie verhext und das Thema der Wohnungssuche hing uns aus den Ohren. Es half nichts und wir arbeiteten weiter an unserer Liste. Da wurde es plötzlich still und zunehmend heißer um uns herum. Stromausfall! Der gesamte Straßenzug war lahmgelegt und vereinzelnd sprangen Generatoren an. Na herrlich, auch das noch. Unser Apartment wurde heißer und ohne Internet konnten wir nicht viel machen. Die Gastgeber waren nicht zu Hause, ohne W-Lan konnten wir sie nicht kontaktieren und im Apartment hielten wir es nicht mehr aus. Also machten wir uns auf zum Meer. Als wir später wieder im Apartment waren, kam auch der Strom endlich zurück. So konnte die Arbeit weitergehen, denn auch der Kuba Beitrag wollte noch fertig geschrieben, die Fotos zu Ende bearbeitet und alles hochgeladen werden.

Die Tage auf den Bahamas strichen von Dannen und bis auf einige tolle Momente an unserem Strand gab es nicht viel Schönes zu berichten. Das Wochenende war bereits angebrochen und an eine Antwort von Airbnb oder einer bestätigten Unterkunft für New York war nicht zu denken. Ein kurzer Blick auf mein Handy vermeldete die nächste Schreckensnachricht. Meine Mutter hatte sich den Fuß verletzt. Kurz flackerte eine Resthoffnung auf, doch diese wurde nach der Diagnose im Krankenhaus jäh zerstört. Meine Mutter hatte sich einen schmerzhaften Bänderriss zugezogen und war nicht in der Lage aufzutreten. Das war es dann mit New York. Kein Wiedersehen mit meiner Mama, stattdessen liegt die Arme bei herrschenden 40 Grad in Deutschland und ohne Klimaanlage bewegungsunfähig auf der Couch. Kein Tag war hier bisher wirklich schön und die Gedanken niemals frei. Inzwischen hatte ich überhaupt keine Lust mehr auf meinen anstehenden Geburtstag und auch Rouven war ein Nervenbündel.

Als mein besonderer Tag anbrach, bemühte er sich aus Leibeskräften, meinen Geburtstag so problemfrei wie möglich zu gestalten. In Deutschland hatte ich mir meinen Geburtstag auf den Bahamas natürlich ganz anders vorgestellt. Ich sah mich mit den Schweinen schwimmen, im türkisblauen Wasser planschen, mit einem leichten Schwips und möglichst wenig Aufregung. So brannte am Geburtstagsmorgen eine Geburtstagstorten-App auf dem gedeckten Frühstückstisch und wir starteten möglichst locker in den Tag hinein.



Wir hatten die „Highlights" der Insel bereits entdeckt und ich hatte wenig Probleme damit, zunächst ein Stadion für Rouven anzusteuern. Die Chancen auf ein Fußballspiel standen nicht schlecht und mir war zu diesem Zeitpunkt alles egal. Die letzte Woche hatte mich emotional ausgelaugt und ich empfand nichts. Der Weg zum Stadion entpuppte sich als trostlos, langwierig und am Ende auch erfolglos. Niedergeschlagen machten wir uns auf den Rückweg.

Ohne recht zu Wissen wohin es nun geht oder gerade wegen der Planlosigkeit, genossen wir den Tag jedoch sehr. Einfach den Kopf frei bekommen und ein wenig die Atmosphäre in uns aufnehmen. Zurück in Downtown Nassau, schlenderten wir am Meer entlang, wo die Kreuzfahrer die schrecklich überfüllten Stadtstrände ansteuerten und dies also ihr „Bahamas“ Erlebnis nannten.




Wir gingen zum Fish Fry Market. Angeblich sollte das Essen hier gut, die Preise erschwinglich und das Publikum local sein. Leider wurden wir auch hier wieder enttäuscht. Der ganze Nepp war nur für Touristen ausgelegt. Es war kein schönes Ambiente und es stank erbärmlich nach Abfluss und Müllhalde.

Letztendlich wurden wir noch an einer Bude am Strand fündig und aßen gemeinsam mit den einheimischen frittierte Shrimps.




Es war schon Nachmittag und das Einzige, was ich nun an meinem Geburtstag machen wollte, war an den Strand zu gehen und zu baden. Zumindest ein Mal muss ich ins Wasser, wenn ich meinen Geburtstag auf den Bahamas feiere. Also rein in den Bus, ab nach Hause und schnell umziehen. Der Bus war übervoll und weitere extra Sitze wurden hervorgezaubert. Der Busfahrer legte währenddessen seine Lieblings-CD ein und Whitney Houston trällerte uns lautstark auf der Heimfahrt entgegen. Viele im Bus stimmten bei den bekannten Popsongs mit ein und auch ich summte beim Refrain von „Dance with somebody“ mit. Wir kamen pünktlich zur Zeitverschiebung im Apartment an. Es war Abend in Deutschland und ich freute mich auf ein Videoanruf mit meinen Eltern. Ehrensache am Geburtstag. Doch als wir die Straße zu unserem Haus entlang schritten, hörten wir es bereits rattern. Diverse Generatoren liefen in den benachbarten Vorgärten und die Vorahnung, dass der Strom wieder ausgefallen ist, erwies sich als bittere Wahrheit. Nicht mal ein Telefonat mit meinen Eltern an meinem 29. Geburtstag war mir auf den verfluchten Bahamas vergönnt. Jetzt einfach nur noch ab ins Meer, bevor das auch noch verschwindet…

Nachdem wir uns die Badeklamotten übergeschmissen hatten, verließen wir das Haus. Als uns plötzlich unsere Gastgeberin Shonnel entgegen kam. Sie und ihr Mann hatten extra für uns recherchiert, um für Rouven und mich noch ein Fußballspiel auf den Bahamas ausfindig zu machen. Dass sie in diesem Moment eher Rouven als mir damit eine Freude machten, war ihnen nicht bewusst. Sie schenkten mir noch einen Geburtstagskuchen und Rouvens treuen Hundeaugen konnte ich das Spiel nicht verwehren. Die Uhr schlug fast Fünf und wir stiegen ins Auto. So kutschierten uns unsere Gastgeber durch die Gegend und die Gespräche waren erfrischend. Wir lachten viel und tauschten uns über die Skurrilitäten unserer Länder aus. Shannons Mann war fasziniert von unserer Reise und beide quetschten uns nach allen Details aus. Die beiden arbeiten an sieben Tagen in der Woche, nehmen selten Urlaub und waren seit 15 Jahren nicht mehr im Meer baden. Auf meine Frage, wozu man auf der Welt ist, wenn man sich alles Schöne verwehrt, lachten sie nur auf.

So erreichten wir gut gelaunt das Fußballfeld, das sich leer vor uns erstreckte. Das kann doch jetzt nicht war sein. So viel Pech kann man doch nicht haben! Wieso sollte auch eine Sache auf den Bahamas funktionieren?! Doch anders als wir Deutschen, waren die Bahamians voller positiver Gedanken. Wenn es hier nicht war, hieß es nicht, dass es nicht woanders noch ein Spiel gibt. Wir fuhren insgesamt 1,5 Stunden über die kleine Insel, bis wir schließlich an einem belebten Platz ankamen. Die Fahrt verging wie im Flug, denn wir verstanden uns prächtig und erblickten viele unbekannte Ecken. Beim Aussteigen sahen wir es dann ganz deutlich. Dort war wirklich ein Fußballfeld mit zwei Mannschaften. Kein schlechter Scherz, keine Fata Morgana! Das Spiel wurde soeben angepfiffen. Wie wir erfuhren, leben auf den Bahamas mehr Haitianer als Bahamians. Und die fußballverrückten Haitianer spielten gerade im Finale um irgendeine Meisterschaft. Wir zahlten den Eintritt, passierten die Kontrolle und gefühlt 200 Augenpaare richteten sich vom Fußballfeld ab und starrten uns an.

Freundlich, neugierig, fragend. Wir waren die einzig Weißen, offensichtlich Touristen und hatten zudem die Sonderstellung erteilt bekommen, hinter die Absperrung des Feldes zu dürfen. So erhielten wir mehr Aufmerksamkeit als die Spieler auf dem Rasen, die sich bei der Abendhitze die Bälle um die Ohren schossen. Rouvens Fotografie wurde besonders beäugt und die Fragezeichen über den Köpfen der Haitianer wurden zunehmend größer. Was müssen die geglaubt haben, was wir hier wollen?







Selten haben wir so viele Anstrengen unternommen, um ein Fußballspiel in einem fremden Land zu schauen. Ein großartiges Gefühl, dass nach den ganzen Rückschlägen auch etwas Positives dabei rumkommt.

Auf unseren Heimweg fuhr uns Shannons Mann noch bei einem Kiosk vorbei. Zu meinem Geburtstag würde sie uns, neben der Torte, noch einen Rotwein spendieren. Die zwei waren wirklich unglaublich! Es gab nur eine begrenzte Auswahl an Rotweinen. Kurzerhand suchten wir uns den trockensten aus. Ein Exportwein aus Australien mit dem bekannten Kangaroo als Logo. Ich hoffte, dass dies auch der günstigste war, damit die beiden nicht so viel bezahlen mussten. In Deutschland kostet die Flasche um die 4,00€, also waren wir gespannt, was der Preis für den Tropfen auf den Bahamas ist. „23,50 $“, sagte die Kassiererin zu unserem Gastgeber und Rouven und ich riefen auf. „Oh Gott, nein wir nehmen eine andere Flasche! Das ist ja viel zu teuer“. Unser Gastgeber lächelte nur, wohlwissend, das dies ein normaler Preis auf den Bahamas war, zahlte und beglückwünschte mich erneut. Er ließ uns am Strand raus, ganz ohne „Death Road“ Action und wir verbrachten den Restabend mit Rotwein bei Sonnenuntergang im Meer. Ich hatte es doch noch geschafft. Um 20:00 Uhr war ich an meinem Geburtstag ENDLICH im Meer baden.




Seelig gingen wir nach Hause und freuten uns über den vorhandenen Strom.

Der letzte Tag auf den Bahamas brach an und noch immer stand New York in Ungewissheit vor uns. Da mein Bruder in jedem Fall kommt, benötigten wir nach wie vor eine Unterkunft für drei Personen und die Suche wurde schwerer und schwerer. Wir standen zwar mit einer Gastgeberin in Kontakt, doch die Buchung erwies sich als Herausforderung. Wieder einmal irgendwelche Absurditäten seitens Airbnb. Eine Antwort und den versprochenen Gutschein hatten wir nach sechs Tagen nach wie vor nicht erhalten und am letzten Tag von den Bahamas mussten wir uns bitter eingestehen, dass die Zeit hier nicht wirklich erholsam war. Wir hatten zu keiner Minute das Gefühl gehabt, wirklich auf den Bahamas angekommen zu sein.

Solche Dinge werden bei einer langen Weltreise, mit vielen unterschiedlichen Zielen, ab und an vorkommen. Da wir das Thema New York nicht noch weiter mit uns rumschleppen wollten, folgten weitere Recherchen, die jedoch ebenfalls erfolglos blieben. So packten wir unsere Rucksäcke und versuchten positive Gefühle in uns aufzunehmen. Schließlich ging es am Folgetag für drei Monate in die Staaten. Einen letzten Nachmittag am Strand wollten wir uns nicht verwehren und zielstrebig gingen wir die Straße hinauf. Da entdeckten wir gegenüber von uns einen kleinen Weg. Wir passierten diesen, ganz ohne Gefahr gleich überfahren zu werden und standen plötzlich direkt am Strand. Einen Schleichweg, der uns die letzten 9 Tage nicht aufgefallen war. Kein Wunder, dass wir die einzigen Passanten auf der „Death Road“ gewesen sind. Das Adrenalin hätten wir uns gerne erspart.

Rouven schlug sich die letzte Nacht noch um die Ohren, um wenigstens den Kuba-Text und die Bilder für unseren Blog hochzuladen. Das Korrekturlesen und Uploaden der Fotos dauert eben doch länger, als wir anfangs gedacht haben.

Und so verließen wir die Bahamas, völlig übermüdet mit gemischten Gefühlen. Alles war irgendwie teuer, nichts hat so richtig geklappt, Geburtstag und Jahrestag verschwammen in den dunklen Wolken der Gedanken und auch die Stimmung zwischen uns litt unter dem ganzen emotionalen Stress. Vielleicht müssen wir für die Zukunft auch lernen, die Dinge nicht so extrem anzugehen, sondern etwas mehr „easy going“ walten zu lassen. Ob uns das gelingt, wird die Zukunft zeigen.

Shonnel brachte uns früh morgens zum Flughafen und wir verabschiedeten uns. Beim Passieren der ersten Kontrolle wurden wir direkt zu kleinen Monitoren geschickt, bei dem wir das ESTA Visum für die USA final bestätigen mussten. Als wir alles ausgefüllt hatten, stellten wir uns in die nächste Reihe und erwarteten eigentlich die Ausreise aus den Bahamas, bevor dann in Miami die Einreise in die USA erfolgt. Hier war mal wieder alles anders. Kein Ausreisestempel war nötig, dafür sahen wir uns der Grenzbeamtin gegenüber, die nun entscheiden sollte, wie lange wir uns in den USA aufhalten dürfen. Nach einer kurzen Fragerunde, stempelte sie uns volle 90 Tage Freiheit in unsere Pässe. Etwas irritiert guckten wir uns an, nahmen unsere Dokumente und gingen den Weg zu den Flug-Gates entlang. Ein gerahmtes Foto von Donald Trump´s Fratze sprang uns entgegen und in großen Buchstaben stand U.S. Government über dem Eingang der Abflughalle. Somit reisten wir noch auf den Bahamas in die USA ein. Wie das möglich war, wussten wir selbst nicht. Hauptsache, dort wird vieles besser und die positiven Dinge werden überwiegen. Zumindest schien die Sonne bei unserem Abflug und nach einem Flug im Regen sah es nicht aus. Ein guter Anfang war gemacht.

 

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