Vorwort zu unseren Erfahrungen in China:
Ganz bewusst haben wir uns dazu entschieden, den Text über unseren Monat in China zu einem anderen Zeitpunkt zu schreiben. Zu einem Zeitpunkt, an dem wir wieder mit leichterem Herzen und ohne zu viel negativen Emotionen zurück blicken können. Um einige Passagen in den nachfolgenden Texten auf unserem Blog nachvollziehen zu können, möchten wir dennoch in ein paar Sätzen, sozusagen als Vorwort, die Zeit in China zusammen fassen. Bereits die Ankunft in China hielt für uns nichts als Kulturschock bereit und ab dem ersten Moment überwogen die negativen Situationen. Kameras und Kontrollen sind in diesem Land allgegenwärtig und bereits am Flughafen hätten sie uns rechtlich gesehen alle Passwörter unserer Handys und Laptops abnehmen dürfen. Gerne werden dann Trojaner auf den Geräten installiert, die den Nutzer ausspionieren…
Mit Glück entkamen wir einer solchen Totalkontrolle. Andere Länder, andere Sitten, versuchten wir uns immer wieder einzureden. Aber nicht jedes Land und nicht alle Sitten können wir in vollem Umfang schätzen und respektieren. Was wir in einem Monat China an Charaktereigenschaften seitens der Menschen erfahren mussten, ist fast unmöglich in Worten zu beschreiben.
Die Art und Weise, wie rücksichtslos die Menschen vor Ort miteinander umgehen, versetzt uns noch heute in eine Schockstarre. Solch eine Respektlosigkeit hatten wir zuvor in keinem anderen Land der Welt erlebt. Es wird geschubst, gerülpst, gespuckt, gefurzt und gekotzt.
Die Menschen drängelten an Orten, wo es nichts zu drängeln gab. Sie zeigten regelmäßig mit Fingern auf uns und lachten sich gehässig über unsere westlichen Gesichter kaputt. „Langnasen!!!“, hieß es von überall her und zum ersten Mal spürten wir Rassismus am eigenen Leib. Viele Chinesen sind unsagbar laut. Sie schreien sich über mehrere Meter hinweg zu und selbst wenn sie nebeneinander stehen schreien sie sich an. Davor wird selbstverständlich auch nicht auf den Hotelfluren mitten in der Nacht halt gemacht. Sie telefonieren mit Lautsprechern, Facetimen jederzeit und überall und spielen extrem laute Musik aus ihren Handys. Als gäbe es die Welt um sie herum gar nicht.
Sie rissen an unseren Armen und zogen uns, ohne zu fragen, vor alle erdenklichen Kameras. Drückten uns ihre Handys ins Gesicht, machten Fotos und Videos.
Wir fühlten uns wie Aliens. Respekt gegenüber Tieren ist in China praktisch nicht vorhanden und uns beschlich das Gefühl, dass auch wir in ihren Augen nicht mehr waren als Tiere. Das eigentliche Übel und größte Grauen, ist die enorm große Anzahl an Reisegruppen. Extrem laute, schreiende und gedankenlose Massen an Chinesen, die allesamt mit roter Kappe bekleidet einem „Führer“ hinterher laufen. Selbst denken ist in diesem Land keine verbreitete Eigenschaft. Eben so und nicht anders will es schließlich die Regierung Chinas. Touristengruppen waren überall und zu jeder Zeit. Nie hatte man die Chance einen Ort für sich zu gewinnen. Selbst unser „Joker“, schon im Morgengrauen gegen 06:00 Uhr unterwegs zu sein, stach in China nicht.
Die Bevölkerung hat in den letzten Jahren das Reisen im eigenen Land für sich entdeckt. Grundsätzlich ist es eine gute und wichtige Sache, dass man sein Heimatland kennenlernt und entdeckt. Aufgrund der hohen Bevölkerungszahl im Reich der Mitte scheint es offensichtlich aus dem Ruder geraten zum sein.
Das Wort „Unwohlsein“, bekommt in China für uns eine ganz neue Dimension. Wir sind weltoffen aufgewachsen und möchten ein Volk nicht anhand einiger Idioten festmachen. Aber es gab einfach zu viele Idioten!
Vielleicht hat uns China gerade deshalb emotional so getroffen, dass wir den Glauben an die Menschheit beinahe verloren hätten. Nach ein paar Tagen oder Wochen begriffen wir dann, was wir falsch machten. Wir waren zu nett. Viel zu nett! Also machten wir es wie die Chinesen und kopierten sie. Gegen unsere Prinzipien gewöhnten wir uns an, die Menschen anzuschreien und ebenso die Ellenbogen einzusetzen. Leider funktionierte es nur auf diesem Weg. Es fühlte sich schrecklich an, da es unserer Denkweise und unserem Handeln komplett widerspricht.
Wir bemühen uns jedes Land neutral zu betrachten. Dabei wurden wir schon so oft positiv überrascht. Wir lieben das Reisen mit all seinen Vorzügen und der Neugierde, die es in uns weckt. Die Brutalität und Scheuklappengesellschaft Chinas jedoch, hat uns für einen Moment gebrochen. Wir können es schlichtweg nicht nachvollziehen, wie es den Menschen scheinbar egal ist, was um sie herum passiert. Der eigene Vorteil steht über allem. Selbstverständlich wollen wir nicht die netten Menschen außer acht lassen, die wir ebenfalls in diesem Land trafen. Und diesen Menschen sind wir sehr dankbar dafür, dass sie uns einen letzten Funken Hoffnung schenkten. Hoffnung darauf, dass aus dem tiefsten Abgrund der Menschheit eines Tages etwas Positives erwächst. Es wäre Ihnen zu wünschen und es wäre uns zu wünschen. Schließlich sind 1,4 Milliarden Chinesen gerade dabei die Welt zu erobern. Und das macht uns Angst!
Die letzte Woche in China verbrachten wir im Schutz einer privaten Wohnanlage bei Freunden an der Grenze zu Hongkong. Markus und Rouven haben sich im Studium kennen und lieben gelernt. Schon vor fünf Jahren, als Markus nach China ausgewandert ist, gab ihm Rouven das Versprechen, ihn eines Tages auf einer Weltreise dort zu besuchen. Mittlerweile ist er mit einer unglaublich lieben Chinesin verheiratet und wir genossen ihre Obhut sehr.
Wir ließen China hinter uns und wussten, es würde dauern die Ereignisse, Gefühle und Emotionen zu verarbeiten. Ein privater Fahrer holte uns stilecht ab und fuhr uns 1. Klasse über die Grenze zu unserem Hotel auf Hongkong Island.
Am Grenzübergang herrschte gähnende Leere, denn die Ausschreitungen im Land hatten sich in den vergangenen Wochen dramatisch zugespitzt. Seit Juni ging die Hongkonger Jugend auf die Straße und protestierte gegen das strenge Eingreifen Pekings in ihre politischen Belange und den Alltag der Menschen. Sie setzen sich zur wehr. Gegen den drohenden Verlust ihrer Freiheit und Demokratie in ihrem Land. Gegen neue Gesetze und Maßregelungen Chinas.
Da Hongkong seit dem 01. Juni 1997 ein Sonderverwaltungsposten von China ist, wird es zum Teil von Peking mit regiert.
In Europa und den USA wurden bereits Flüge nach Hongkong gestrichen und in den Nachrichten vor einer Einreise gewarnt. Wo sonst die Hotelpreise irgendwo im Orbit schweben, gab es nun günstige Übernachtungsmöglichkeiten in zentraler Wohnlage. Wir buchten uns für eine Woche im strategisch wichtigen Knotenpunkt Soho/Central ein. Von dort konnte man die meisten Sehenswürdigkeiten erreichen, selbst wenn der öffentliche Nahverkehr zum Erliegen käme. Für 24 Stunden hatten wir noch einen Begleiter. Hendrik, auch ein Freund aus dem Studium von Markus und Rouven, hatte zur gleichen Zeit dieselbe Idee gehabt und den Auswanderer besucht. Somit gab es ein doppeltes Wiedersehen. Seine Rückreise führte sehr umständlich von Hongkong über Shanghai zurück nach Frankfurt.
Gemeinsam verschafften wir uns einen ersten Überblick von der Lage vor Ort. Wir hatten ganz unterschiedliche Einschätzungen und Meinungen in den letzten Tagen erfahren. Ausländische Studenten wurden zurück in ihre Heimat berufen und ausgeflogen. Bürgerkriegsähnliche Zustände wurden uns durch die Medien gezeigt. Wir waren also auf schlimme Szenen gefasst und hatten die Ausschreitungen beim G20 Gipfel 2017 in Hamburg vor unserer Haustür im Hinterkopf. Doch all die hässlichen Bilder waren beim Durchstreifen der Straßen nicht präsent. Die Menschen gingen ganz normal ihrem Alltag nach, als würde es diese Protestwelle nicht geben. Wir atmeten gleich zwei Mal tief durch. Die Ängste, mitten in einen Bürgerkrieg zu geraten, erwiesen sich als nicht zutreffend. Und dann waren wir endlich aus China raus! Endlich durften wir wieder in freundliche und lächelnde Gesichter blicken. Viele internationale Menschen begegneten uns aus allen Herren Ländern. Es wurde wieder Englisch gesprochen und wir konnten uns ohne Hilfsmittel verständigen.
Unser Weg führte uns vorbei an hippen Läden, Streetart und vielen Cafés, über eine Tempelanlage, die von Wolkenkratzern umzingelt war.
Das Herzstück des Viertels war die ehemalige Gefängnisanlage „Tai Kwun“, die das Architektenduo Herzog & de Meuron in ein Kulturzentrum umgebaut und für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht haben. Der gesamte Ort pulsierte durch Inszenierungen und Ausstellungen. Ergänzt wurde das Kulturprogramm durch das „Berlin meets Hongkong“ Festival, welches gerade startete.
Eine große Illustration über Berlin begrüßte die Besucher am Eingang. Künstler, wie „Ute Lempert“ und die Breakdance Combo „Flying Steps“ boten feinste Unterhaltung. Hongkong schien alles zu sein, aber nicht chinesisch. Es war vielmehr der internationale Nabel, der allen Menschen Einlass gewährte und uns mit sehr weltoffenen Armen empfing. Wir wurden weder angestarrt, noch unhöflich fotografiert, noch angerempelt oder angespuckt.
In unmittelbarer Nähe zu unserem Hotel befindet bzw. befand sich eine Universität, die von Protestlern und Freiheitskämpfern eingenommen und zerstört wurde. Einige vermummte Gestalten hielten Mahnwache vor den steinernden Trümmern. Zum Glück war diese Universität nicht das Epizentrum der Demonstranten und Ausschreitungen. Auf dem Festland gibt es die Polytechnic University of Hongkong. Dort sollte sich in den folgenden Tagen der Höhepunkt der Gewaltspirale ereignen.
Am nächsten Morgen stand Rouven ganz aufgeregt mit seiner Kamera in der Hand vor mir. Hongkong gilt als eine der dicht besiedelten Städte der Welt. Wohnraum ist knapp und teuer und wird daher auf engstem Raum gebaut. Für Liebhaber außergewöhnlicher Architektur, sind diese Wohnmaschinen ein begehrtes Fotomotiv.
Einige besonders „schöne“ Exemplare wollten wir in den kommenden Tagen ansteuern und starteten unsere Exkursion beim „Tai Koo“ Gebäude. Diese Wohnanlage brachte uns zum Schaudern. In einer unvorstellbaren Enge, ohne jeglichen Komfort und Privatsphäre hausen die Menschen dicht an dicht. Wie in einer Legebatterie ohne Tageslicht und ohne Grün.
Als Architekturfans fanden wir hier unser Glück, als Menschen jedoch taten uns die Anwohner leid. Was steckt hier für ein Leben hinter den Fassaden und vergitterten Fenstern? Nachdem wir die Wohnsituationen in vielen Ländern bereits erleben durften, wird uns erneut ein Stück bewusster, wie gut wir es Daheim haben.
Der Nachmittag des Tages führte uns zum Victoria Peak, dem Hausberg Hongkongs, von dem wir die ganze Stadt im Panorama erblicken konnten. Die Ruhe auf dem Berg wurde lediglich durch einige Sonntagsspaziergänger und Jogger unterbrochen. Mehrere Stunden lagen die Häuserschluchten unter uns. Als es dunkler wurde, erwachten die Wohnmaschinen zum Leben und beschenkten uns mit einem Lichtermeer. Wir konnten uns von dem Anblick kaum losreißen und fuhren später mit der Zahnradbahn zurück ins Tal.
Voller Glück und Zufriedenheit fielen wir müde ins Bett. Nach China schien sich nun unser Wohlbefinden in die richtige Richtung zu entwickeln. Doch ab dem nächsten Morgen sollte für mich eine neue Zeitperiode antreten.
Schon die Tage zuvor fühlte ich mich zunehmend schlechter und lustloser. Das Gefühl von unendlich großer Angst und Panik breitete sich unaufhörlich in mir auf und ich merkte, dass die letzten Wochen mich stärker mitgenommen haben, als ich zunächst geglaubt hatte. Es sollte die schwerste Zeit für mich auf der bisherigen Reise beginnen.
Weder hatte ich noch Lust diese Reise weiter anzutreten, noch wollte ich irgendwo anders sein als zu Hause in meiner Komfortzone. Ich überwand mich trotz dieser Gefühle in den Tag zu starten und dieser fing bereits sehr früh an. Direkt morgens fuhren wir zur zweitgrößten, freistehenden, sitzenden Buddha Figur der Welt. Den „Tian Tan“ erreichten wir nach 1,5 Stunden. Es war ein angenehm ruhiger Ort auf der Insel Lantau gelegen.
Sehr wenige Menschen, zumeist Mönche, schritten über den großzügigen Platz und bereits aus der Ferne erblickten wir die riesige Bronze Statue.
Die Sonne strahlte vom Himmel und kitzelte die letzte Müdigkeit aus unseren Körpern. Als die Tore zum Buddha schließlich aufgingen, mussten wir noch die 268 Treppenstufen hinaufsteigen.
Auf dem Gipfel thronte der Buddha und verbreitete eine friedvolle Atmosphäre. Die wenigen Touristen verhielten sich entsprechend respektvoll und es war kaum ein Geräusch wahrzunehmen.
Lange saßen wir einfach da und versuchten ganz in diesem Moment zu sein. Menschen kamen und gingen. Als dann die ersten Touristengruppen mit Bussen angekarrt wurden, war es Zeit für uns zu gehen.
Wir spazierten noch den Weg der Weisheit entlang, inmitten der atemberaubenden Natur und fuhren zurück nach Hongkong Island. Zurück im Hotel, überrollten uns direkt die Nachrichten der aktuellen Ausschreitungen. Die ganze Welt schaute gebannt auf Hongkong. Die Proteste schienen erneut zu eskalieren und den Zenit der Gewalt zu erreichen. Die Polytechnic University of Hongkong auf dem Festland brannte. Zwischen den Polizeikräften und den Hongkonger Demonstranten war der Krieg ausgebrochen. Mehrere Verletzte und Tote folgten. Studenten und andere Demonstranten verschanzten sich in der Universität. Es waren Hunderte, darunter auch Kinder. Diese waren nach tagelangen Kämpfen zermürbt. Ihre Versorgungslinien wurden von der Polizei unterbrochen und ihre Situation war ausweglos. Keiner wollte aufgeben oder zurück weichen. Selbst wenn die Studenten sich ergeben wollten, so erwartete jeder von Ihnen eine langjährige Haftstrafe. Der Großteil der Bevölkerung unterstützt ihr Handeln, kämpfen sie doch für ihre Zukunft. Für ein freies Hongkong ohne Chinas Neuerfindung der Diktatur.
Am darauf folgenden Tag begaben wir uns erneut auf unsere ganz eigene Exkursion der bizarren Architekturen in Hongkong. Aufgrund des Platzmangels, wurde inmitten von Wohnkomplexen eine Schnellstraße auf Stelzen in 30 Metern Höhe gebaut. Dieser Brutalismus war schon speziell, führte doch die Stadtautobahn nun vorbei an Wohnzimmerfenstern und raubte den unteren Etagen jegliches Tageslicht.
Am Abend war Fußball angesagt. Das WM-Qualifikationsspiel zwischen Hongkong und Kambodscha wollten wir uns unter keinen Umständen entgegen lassen. Auf dem Weg dorthin besuchten wir noch das „Happy Valley“. Das Valley ist eine riesige Sportanlage, die wir in diesem Ausmaß noch nie zuvor gesehen haben. Schätzungsweise 30 Sportplätze befinden sich im Zentrum einer Pferderennbahn. Umrahmt wird das gesamte Ensemble durch hochgewachsene Wolkenkratzer. Ein unglaublich beeindruckendes Bild!
Als wir später am Abend im Nationalstadion von Hongkong ankamen, gesellten sich lediglich 6.800 weitere Zuschauer zu uns ins weite Rund.
Diese machten dafür umso mehr Alarm. Insbesondere, als die Nationalhymnen ertönten. Der kambodschanischen Nationalmannschaft, samt 50 treuen Fans im Away Sektor, wurde ordentlich Beifall spendiert. Als die Nationalhymne Hongkongs erklang, gab es plötzlich ein gellendes Pfeifkonzert. Die Zuschauer drehten sich demonstrativ um, reckten ihre Fäuste oder zeigten den Mittelfinger. Hierzu muss man erwähnen, dass die Nationalhymne Hongkongs, die der Volksrepublik Chinas ist.
Stattdessen sangen sie voller Inbrunst „Glory to Hongkong“, die Hymne der Protestbewegung. Der Songtext handelt von der Selbstverpflichtung der Aktivisten, nicht aufzugeben und weiter auf demokratische Freiheiten zu pochen. Manche reden von einer neuen Nationalhymne für Hongkong.
Nachdem sich die Gemüter wieder beruhigt hatten, flog der Ball durch die Luft und die Fans schienen all den Hass und Streit in ihrer Heimat für einen Moment hinter sich zu lassen. Es war eine schöne Stimmung und beide Seiten wurden ordentlich angefeuert.
Zu unserer Überraschung gab es einige KFC’s und McDonalds innerhalb des Stadions. Die Temperaturen wurden merklich kühler und als das Heimteam das vorentscheidende 2:0 schoss, machten wir uns auf den Rückweg zum Hotel, schließlich mussten wir am nächsten Morgen früh aufstehen. Für einen Tag wollten wir dem Land Macau einen Besuch abstatten. Lediglich eine Stunde mit der Schnellfähre trennen die ehemalige portugiesische Kolonie vom Hongkonger Hafen. Den Reisebericht dazu findet ihr gesondert auf unserem Blog.
Wieder in Hongkong, ging es ein weiteres Mal auf Entdeckungstour durch die hiesigen Plattenbauten. Beide freuten wir uns auf die Rainbow Hochhäuser. Diese wirken besonders schön, wenn man sie vom Dach des angrenzenden Parkhauses betrachtet. Dort befinden sich ebenfalls einige Sportanlagen, die farbig mit den umstehenden Hochhäusern korrespondieren. Wir hatten Glück, diesen Ort mit nur sehr wenigen Touristen teilen zu müssen. Üblicherweise ist der Sportplatz mit fotowütigen Instagrammern belagert, die sich wie wir, in unnachahmlichen Posen verrenken.
Die fröhlichen Pastellfarben wurden kurze Zeit später eingetauscht gegen das erdrückende Gefühl, in einem Gefängnisinnenhof der Zukunft zu stehen. Der Innenhof wurde von einem viereckigen Gebäudekomplex flankiert, von deren Laubengänge, schwere, gelbe Gittertüren in die jeweilige Wohnung führten.
Beim Blick nach oben schien uns der Himmel noch nie so weit entfernt. Wir fühlten uns wie auf einem Raumschiff, dass mit zahllosen Kapseln in Richtung Endlosigkeit unterwegs war. Rouven beamte sich illegal auf ein paar Etagen des Raumschiffes und ich drehte meine Runden im Knasthof und starrte stumpf auf dieses Betonmonstrum.
Wissen die Bewohner dieser Wohnanlagen, wie extrem ihre Wohnsituation ist? Was war Normalität?
Nach so viel Grau und Beton brauchten unsere Augen etwas Abwechslung und wir fuhren zum Blumenmarkt. Blumen, das Licht des Lebens. Wir flanierten zwischen den prächtigen Farbtupfern umher und sogen die verschiedenen süßlichen Düfte ein. Am Ende des Blumenmarktes schließt sich der Vogelmarkt an, wo es Singvögel in alten traditionellen Käfigen zu bestaunen gibt. Die Realität ist allerdings weniger romantisch. Bereits am Anfang machten wir wieder kehrt, denn die Haltung der Tiere ist alles andere als artgerecht.
Einen Vogel in einen Käfig zu sperren ist grundsätzlich verwerflich. Was sich hier jedoch vor unseren Augen auftat, war an Grausamkeit kaum zu überbieten. Eine ähnliche Tierquälerei mussten wir leider auch auf dem Fischmarkt beobachten.
In kleinen Plastiktüten „schwammen“ zahllose Fische von den Wandregalen der Marktstände. Uns drehte sich der Magen um und wir suchten das Weite.
Weggucken ist für uns üblicherweise keine Option aber dieser Anblick war schwer zu ertragen.
Wir flohen zurück zur Metrostation und fuhren in Richtung Hafen. Eine uralte aber Innen modernisierte Shoppingmall empfing uns mit abgefahrenen Flagshipstores verschiedener Geschäfte und zum Sonnenuntergang setzten wir uns an die Promenade. Bruce Lee kämpfte sich als Statue neben uns durch die Touristen und die Sonne verschwand langsam hinter dem Hochhaushorizont.
Zwei traditionelle Dschunken fuhren mit ihren roten Segeln gemächlich auf dem Wasser und boten uns eine wunderschöne Abschiedszeremonie. Hongkong hat uns gut getan. Hongkong hat uns wieder aufgefangen und in Hongkong lebt die Freiheit. Wir wünschen es der Bevölkerung von Herzen, dass sie ihren ausweglos erscheinenden Kampf gegen den übermächtigen Gegner China eines Tages gewinnt. Free Hongkong!
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