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  • AutorenbildMaj & Rouven

Kambodscha - Das Reich der Khmer

Aktualisiert: 11. Jan. 2020

SIEM REAP I PHNOM PENH | KOH RONG SANLOEM


Nachdem wir in Vietnam, trotz seiner landschaftlichen Vielfalt und gastfreundlichen Menschen, ein Reisetief par excellence durchlebten, bestiegen wir den Flieger nach Kambodscha.

Wir hofften mit Anreise in ein neues Land auf Besserung unserer Gemütszustände und einen frischen Schwung für unsere Reise. Eine knappe Stunde später, landeten wir am Flughafen von Siem Reap in Kambodscha.

Schon bei der Ankunft im Terminal stellte sich sogleich eine positive Stimmung ein. Was war das bitte für ein wunderschöner und entspannter Flughafen?! Dieser glich mehr einer buddhistischen Tempelanlage und strahlte Ruhe und Gelassenheit aus. Völlig stressfrei immigrierten wir in unser 12. Land auf dieser Weltreise und schnallten unsere Backpacks auf. Das nächste Puzzleteil auf dem Weg zum Glück wartete schon in der Ankunftshalle auf uns. Mr. Soknang wurde vom Hotel geschickt, uns in seinem Tuk Tuk abzuholen. Mit einem riesigen und ehrlichen Lächeln und unserem Namensschild in der Hand, stand er vor seinem Gefährt und winkte uns auf die herzlichste Art zu. Was für ein toller Empfang!

Der sympathische Kambodschaner traf uns mitten ins Herz. Er verlud unser Gepäck, drehte den Zündschlüssel um und brauste, in Schrittgeschwindigkeit, zum Hotel. Seit der Landung umgab uns ein ganz anderes Flair. Wir fühlten uns wohl und geborgen und spürten nach langer Zeit wieder Vorfreude. Noch vor Erreichen des Hotels hatten wir Mr. Soknang für die kommenden Tage angefragt, mit uns durch die archäologische Tempelstadt Angkor zu fahren. Es sollte unser Highlight auf der Reise durch Kambodscha werden und mit niemandem lieber wollten wir dieses Abenteuer antreten. Da die Tempelanlagen von Angkor sehr weitläufig verteilt sind, ist es üblich, dass man sich für die großen Distanzen und die Anreise dorthin ein Tuk Tuk nimmt.

Nachdem wir den ersten Tag ruhig ausklingen ließen und am Pool etwas Kraft tankten, klingelte uns am nächsten Morgen der Wecker um 04:00 Uhr wach.



Pünktlich um 05:00 Uhr begrüßte uns Mr. Soknang samt Tuk Tuk und seinem unvergleichlichen Lächeln.

Die pechschwarze Nacht umgab uns und Aufregung machte sich in uns breit. Welche Abenteuer würde Angkor für uns bereit halten? Das Reich der Khmer, das vom 9. bis 15. Jahrhundert auf die Dimension des heutigen Manhattans anwuchs und von Millionen von Bürgern bewohnt wurde, hat im Laufe der Jahrhunderte mehrere Herrscher und folglich mehrere Tempelanlagen hervorgebracht.

Erbaut im 12. Jahrhundert, ist Angkor Wat heute die berühmteste und bei den Touristen beliebteste Tempelanlage auf dem gesamten Gelände. Nach langer Recherche, entschieden wir uns gegenläufig der üblichen Route der Besucher zu starten und legten am Osteingang mit der Besichtigung los. Die Dämmerung ließ nach und langsam fielen die ersten Sonnenstrahlen über den Turmspitzen ein. Nach und nach kam die Schönheit immer mehr zum Vorschein. Wie ein archäologischer Schatz, den man Schicht für Schicht freilegt. Wir streiften durch die alten Gemäuer, kletterten steile Treppen hinauf und erforschten das Areal.

Als eine der ersten Besucher des Tages, durften wir die Anlage bis zum höchsten Punkt empor steigen und die filigranen Reliefs, die mühevoll in den Stein gemeißelt wurden, in Augenschein nehmen. Was für verborgene Geschichten stecken wohl hinter den fein gearbeiteten Bildwerken?

Wir waren regelrecht angefixt und fühlten uns wie Archäologen in einem neuen Indiana Jones Streifen.










Der Auftakt im Angkor Wat Tempel verschlug uns bereits die Sprache und nach einem kurzen Spaziergang, vorbei am berühmten Seerosenteich, empfing uns Mr. Soknang startklar mit seinem Tuk Tuk. Der Motor schnurrte wie ein Kätzchen und wir knatterten über die asphaltierten Straßen Angkors. Weiter ging die Entdeckungstour nach Angkor Thom. Seinerzeit war es eine ganz eigenständige Stadt in dem riesigen Gebiet von Angkor. Geschützt wird sie bis heute von fünf Toren und fünf Dämmen. Die Eingangsportale, teilweise in einem erstaunlich guten Zustand, zeigen oberhalb des Torbogens jeweils vier Gesichter. Alle Gesichter schauen in andere Richtungen, alle sind identisch gehauen. Die Wissenschaft ist sich uneinig darüber, wer genau hier abgebildet wird. Laut Mr. Soknang stellt es eine Gottheit dar, die Angkor beschützt und bewacht. „Aber natürlich hat der Gott keine vier Gesichter. Wie sollte er denn da schlafen können? Er würde immer irgendwie auf einem seiner Gesichter liegen. Das wäre ja gar nicht möglich.“, erklärte er uns schlüssig.

Wir überlegten noch kurz, seit wann Götter schlafen, da berichtete er schon von einer kambodschanischen Weisheit. Der zufolge, Gott vier Herzen in sich trägt. Um diese Herzen und seine Charaktere zu verdeutlichen, gab man dem Gott vier Gesichter. Lauscht man den Geschichten der hier ansässigen Menschen zu, wird einem bewusst, wie viel Poesie zwischen den alten Steinen und der neuen Zeit liegt.





Wir passierten das Südtor in Richtung Angkor Thom, das Anfang des 13. Jahrhunderts als neue Hauptstadt Angkors erbaut wurde. Wir erreichten den Tempel Bayon, Angkors Tempel voller Geheimnisse. Der Wald aus Türmen lächelte mit seinen zahlreichen Gesichtern in alle Himmelsrichtungen und wir waren überwältigt von so viel Handwerkskunst und der Dimension des Tempels in seiner Gänze.

Nichts würde an diesem Ort unbeobachtet geschehen können, denn die wachsamen Augen sind niemals verschlossen. So schrieb bereits Maurize Glaize (…) in seinen Zeilen über den Bayon bei Dämmerung: „…wenn die Lichter und Schatten weicher werden und der Stein und sein grüner Hintergrund in einer perfekten Einheit von Farbtönen und Schattierungen komponiert sind - wenn die Gesichter, sanft und geduldig, einen emotionalen Ausdruck annehmen, von dem eine Art poetischer Zauber ausgeht,… Man löst sich auf, zwischen der Gelassenheit der buddhistischen Ruhe, fühlt sich wie ein Embryo zwischen all den Gestalten…“.

Endlose, schmale Treppenstufen mussten wir erklimmen, um auf dem Tempelplateau anzukommen. Die Speicherkarten in unseren Kameras brachten wir ans Limit und versuchten diese unwirklich scheinende Welt um uns herum zu greifen. Das einzig real wirkende, waren die zahlreichen Touristen, die in Scharen kamen und sich an den empfindlichen Gemäuern vor Erschöpfung abstützten. Immer wieder beobachten wir, dass die Tempelanlagen vor den Touristen und deren Unwissenheit nicht gut genug geschützt wird. Nur wenige Absperrungen halten die Besucher davon ab, überall hinauf und hinab zu steigen und alles zu betatschen. Getreu dem Motto: „Habe ich es nicht berührt, war ich nicht wirklich dort.“

Die versteinerten Gesichter schienen still zu schweigen und doch so unendlich viel zu erzählen.






Nach der Erkundung des Bayon und seinem Nachbartempel Baphoun, brauchten wir eine Stärkung und aßen mit Mr. Soknang zu Mittag.

Nachdem wir unser Essen gemeinsam teilten, zusammen tranken und uns ausgiebig mit ihm unterhielten, bemerkte ich, dass die Erkältung in meinen Gliedern noch nicht überstanden war. Da kam uns der kleine Thommanon Tempel gerade recht. Von vielen Touristen links liegen gelassen, befindet sich dieser im Schutz des Urwaldes und bot uns Erholung von den Strapazen des Vormittags.

Mr. Souknang winkte uns zu sich heran und zeigte auf sein Gefährt. Er hatte bemerkt, dass ich zunehmend Probleme mit meiner Erkältung bekam und spannte im Tuk Tuk seine Hängematte auf.

Während Rouven weiter im Entdeckerfieber war, versuchte ich meines mit einem kurzen Schlaf zu senken. Ich war unserem treuen Freund unglaublich dankbar. Dankbar dafür, dass er bemerkt hat, was ich brauchte und dankbar dafür, dass er eine so tiefe Nächstenliebe für seine Mitmenschen in sich empfindet.







Nach einer Stunde Erholung, fühlte ich mich besser und noch leicht dösig machten wir uns auf den Weg zum Sonnenuntergang. Ein langer Tag neigte sich langsam dem Ende zu. Mit allerletzter Kraft wanderten wir auf einen Berg, von dem es angeblich den spektakulärsten Sonnenuntergang Angkors zu bestaunen gibt. Wir wurden bitter enttäuscht! Schon bei der ersten Sichtung des Spots kamen wir schnell zu dem Ergebnis, dass wir solch einen Tag nicht an diesem Ort krönen wollten. Lediglich 300 Menschen dürfen auf die Aussichtsplattform hoch, um den Untergang der Sonne über Angkor Wat zu beobachten. Doch wo lag Angkor Wat? Verwirrt liefen wir umher, umrundeten die Plattform mehrfach und sahen nichts außer Baukräne und Menschen. Wir beschlossen schnell das Weite zu suchen und völlig durchgeschwitzt kamen wir am Fuße des Berges an. Mr. Soknang drehte am Gashebel und beförderte uns erneut zum Tempel Angkor Wat. Wir schafften es gerade rechtzeitig, als die Gemäuer in ein oranges Licht gehüllt wurden. Während die meisten Besucher schon Richtung Ausgang strömten, verharrten wir ehrfürchtig bis zur allerletzten Sekunde und waren für einen kurzen Moment ganz allein mit dem Wunderwerk.





Es ist schon erstaunlich, zu wie viel der Mensch ohne die Hilfe von Maschinen im Stande ist. Allerdings sei hier erwähnt, dass zur Errichtung dieser Tempelanlagen zahlreiche Sklaven und Opfer notwendig waren.

Wir ließen Angkor hinter uns und wurden erneut von der Dunkelheit umarmt. Da das Areal so viel zu bieten hat, planten wir zwei Tage für den Besuch der Tempelanlagen ein und folgten auch am nächsten Morgen um 04:00 Uhr dem Lockruf Indianer Jones.

Die eiskalte Luft auf dem Tuk Tuk ließ uns frieren und auf den leergefegten Straßen fuhren wir immer weiter in Richtung Angkor. Bald erreichten wir die Vorboten des dichten Dschungels und schaurig schön präsentierte sich die Welt um uns herum. An der Tempelanlage Pre Rup ließen wir uns von der aufgehenden Sonne wach küssen. Es war ein magischer Moment, denn hier waren wir neben Mr. Soknang die einzigen Menschen und beobachteten, wie der Tag endgültig über die Nacht siegte.



Anschließend führte uns der Weg zur berühmten Ta Prohm Tempelanlage. Bekannt ist dieser Ort vor allem durch den Kinofilm „Tomb Raider“. Im Laufe der Zeit hat sich die Natur ihren Raum zurückerobert. Mächtige Bäume und Wurzeln wuchern mittlerweile auf, im und zwischen den Gemäuern der Tempelruinen. Es war wie eine verwunschene und verzauberte Märchenwelt. Fast surreal und nicht von diesem Planeten, schossen die gigantischen Bäume Meter um Meter in die Höhe und schienen den Boden als Nährort kaum zu benötigen. Die Zeiger auf unseren Uhren schritten voran, doch Zeit schien an diesem Ort keinen Platz zu haben.








Zurück bei Mr. Soknang, ging uns bei seiner Dankbarkeit dem Leben gegenüber das Herz auf. Überwältigt von so viel Liebe zur Natur, den Tieren, seinen Mitmenschen und zu sich selbst, haben wir Mr. Souknang eine „Story der Woche“ gewidmet.

Nach Stippvisiten in größere und kleinere Tempel, bei denen jeden Moment die Gefahr drohte, von alten Steinbrocken über unseren Köpfen erschlagen zu werden, entspannten wir uns am Srah Srang See. Wir verliebten uns mehr und mehr in dieses Land und seine Menschen. Überall winkten sie uns freudestrahlend zu. Sie wirkten zufrieden und dankbar für das Leben, dass ihnen geschenkt wurde. Wir hatten nicht das Gefühl, dass sie darum trauern was sie nicht haben, sondern vielmehr, dass sie die Dinge wertschätzen, die sie haben. Die Lebensart der Kambodschaner zu beobachten, erfüllt uns mit einer Leichtigkeit, die wir schon lange nicht mehr so intensiv gespürt haben. Das Leben ist schön! Es ist das, was wir daraus machen.








Zum Tagesabschluss hielt Mr. Soknang eine kleine Überraschung für uns bereit. Er wollte uns noch einen letzten Tempel zeigen. Einen Tempel, der mitten im See steht. Ein schmaler Holzsteg markierte den Weg über den See. Kahle Baumstämme ragten aus dem Wasser und übten eine wahrhaft mystische Stimmung in der Abenddämmerung aus. Wir erreichten die kleine Tempelanlage, die unerreichbar für ihre Besucher von Wasser umschlossen ist. Der zweite Tag in Angkor ging zu Ende und trotz der enormen Müdigkeit in unseren Beinen, fühlten wir uns erfüllt und glücklich. Wir hatten unseren Reisehunger wieder gefunden! Angkor war unser Comeback in den Reiseflow und die Vorfreude auf unser letztes Drittel Weltreise war wieder präsent.



Reisende und besonders Weltreisende, vernetzen sich immer wieder untereinander über Portale wie Instagram oder den eigenen Blogs. Der Austausch ist meist schön, harmonisch und weckt Neugierde. Schnell hatten sich unsere liebsten und authentischsten Profile und Personen auf Instagram heraus kristallisiert. Da ist es nicht verwunderlich, dass es uns ein inneres Fest war, als sich Steffi und Philipp, vom Instagram Profil „Lebelust“, bei uns meldeten. Wie es der Zufall so wollte, waren die beiden Weltreisenden auch gerade in Siem Reap angekommen. Wir verabredeten uns für den Abend und trafen uns in einer Bar. Da wir nur noch mit unserem Herzensfahrer Tuk Tuk fahren wollten, freuten wir uns auf unsere tägliche Dosis Mr. Soknang und fuhren standesgemäß vor.

Schon kurz nach der Begrüßung mit Steffi und Philipp war klar, dass daraus etwas Wunderbares entstehen kann. Es folgte ein spaßiger Abend, an dem wir uns über das Reisen, Länder, über Erfahrungen, die Heimat und die Sehnsüchte austauschen konnten. Da sich Teile der Reiseroute durch Kambodscha bei uns Vieren überschnitten, verabredeten wir uns für ein Wiedersehen in Phnom Penh. So fiel uns der Abschied nach diesem illustren Abend nicht all zu schwer.



Anders verhielt es sich am nächsten Morgen, als wir uns von Mr. Soknang trennen mussten. Er brachte uns zum Busbahnhof und schenkte uns Früchte für die Weiterfahrt in die Hauptstadt des Landes. Allesamt hatten wir Tränen in den Augen und wir verbeugten uns tief voreinander. Rouven und Mr. Soknang umarmten sich innig, wie zwei Brüder. Hatten die beiden doch während der Tage in Angkor eine ganz besondere Beziehung zueinander aufgebaut. Es war Zeit, Lebewohl zu sagen…

Nach sechs Stunden auf der Autobahn, Buckelpisten und Raststätten, waren wir in Phnom Penh angelangt. Schon auf den ersten Blick kam deutlich zum Vorschein, das diese Stadt keinen Schönheitspreis gewinnen würde. Dennoch wollten wir die Metropole nach Sehenswürdigkeiten absuchen. Die Sonne knallte erbarmungslos vom Himmel und der löchrige Asphalt begann zu glühen. So sehr wir und auch die Stadt sich bemühten, es gab nichts Reizvolles zu entdecken. Als Liebhaber ungewöhnlicher Stadionarchitektur, hatten wir noch ein Ass im Ärmel und fuhren zum Olympiastadion. Obwohl es nie Olympische Spiele in Kambodscha gab, wurde zwischen 1962 und 1964 ein Olympiastadion aus dem Boden gestampft. Zu unserer Freude war das Stadion frei zugänglich und wurde ausgiebig von sportbegeisterten Einheimischen zum Workout genutzt. Der gemeinsame Sport ließ die ohnehin immer fröhlichen Kambodschaner noch glücklicher wirken.



Im Umfeld des Stadions fanden wir noch einen sympathischen Tuk Tuk Fahrer, der uns am nächsten Morgen im Hotel für unseren Tagesausflug zu den „Killing Fields“ abholte. Gemeinsam mit Steffi und Philipp, die mittlerweile in Phnom Penh angekommen waren, wollten wir die düstere Vergangenheit der „Roten Khmer“ ergründen. Über 300 dieser sogenannten „Killing Fields“ sind bisher entdeckt. Um ehrlich zu sein, hatten wir keine wirkliche Idee von der grausamen Vergangenheit der Kambodschaner gehabt. Lediglich durch einige Dokumentationen im Internet hatten wir etwas Vorwissen eingeholt. Jedes Land hat seine ganz eigene, ganz persönliche Geschichte und doch wissen wir so wenig darüber. Anfang der 1970er Jahre, während des Vietnamkrieges, litt auch Kambodscha massiv unter dem Krieg zwischen den USA und Vietnam.

Über die vietnamesischen Grenzen hinaus, wurden auch Teile Kambodschas von den amerikanischen Bombardements getroffen. Aus dem Untergrund heraus, kam eine maoistisch-nationalistische Guerillabewegung an die Macht. Die "Roten Khmer“, die von 1975 bis 1979 unter Führung von Pol Pot, das Land totalitär als Staatspartei regierten. Dabei ließ der paranoide Herrscher über zwei Millionen seiner eigenen Landsleute auf die brutalste Art und Weise abschlachten. Das entsprach zu dem damaligen Zeitpunkt nahezu einem Drittel der Gesamtbevölkerung. Ziel war es, das Land von allen Städtern und Intellektuellen zu säubern und die weniger gebildete Landbevölkerung in einen Agrarkommunismus zu zwingen. Die zwei Millionen Einwohner zählende Stadt Phnom Penh, glich nach der sofortigen Deportation der Stadtbevölkerung auf die Reisfelder des Landes, einer Geisterstadt. Sie starben durch Tötung, durch Hunger und an Trauer. Jeder der nicht gehorchte, musste sterben. Jeder, der den kleinsten Verdacht aufwies gegen die totalitäre Herrschaft zu sein, der sein Leid klagte, der Mitgefühl wollte, der sich widersetzte, war ein Feind der Bewegung.

Sie alle starben, wegen eines wahnsinnigen Herrschers, der niemandem traute. Den Schlachtruf: „Lieber einen Freund töten, als aus Versehen einen Feind am Leben lassen.“, pflanzte er in die Köpfe seiner Gefolgschaft. Am Ende folgte die Tötung im Akkord. Um Gewehrpatronen zu sparen, wurden die Opfer mit anderen Mittel umgebracht, die wir an dieser Stelle nicht weiter im Detail erläutern möchten.

Die Hintergründe und was genau auf den „Killing Fields“ geschehen ist, wurde uns durch einen sehr guten Audioguide vermittelt. Dieser begleitete uns auf eine sehr respektvolle Art, ohne die Gräueltaten zu beschönigen. Dieser Genozid müsste uns Menschen eigentlich Mahnmahl genug sein. Aber leider wiederholt sich Geschichte immer wieder. Ein schleichender Prozess. Am Ende, kann es keiner verstehen, wie so etwas möglich war und ist. Nach dem Besuch, mussten wir das Erlebte aufarbeiten, doch so recht wollte es uns nicht gelingen.




Über Weihnachten und Neujahr wollten wir Abstand, Ruhe und Entspannung. Bereits vor einem halben Jahr, hatten wir uns in einem Resort auf der Insel Koh Rong Sanloem eingebucht. Wir konnten kaum glauben, dass dieser Aufenthalt nun unmittelbar bevor stand.

Zeit, unser allseits präsenter Freund. Der über unser Resort gebuchte Fahrer erschien 45 Minuten später als geplant und fuhr 7,5 Stunden mit uns im Schlepptau quer durchs Land. Es war eine endlos scheinende Fahrt. Gerade rechtzeitig, erreichten wir die letzte Fähre zur Überfahrt auf die Insel. Das Resort begrüßte uns nicht mit der gewohnten kambodschanischen Herzlichkeit und es dauerte nicht lange, da stellte sich heraus, dass die Eigentümer und Angestellten aus Deutschland kommen. Unser Bungalow war spartanisch und lieblos eingerichtet. Dafür entschädigte der Blick auf den Strand und dem türkisfarbenen Meer vor unserer Haustür.



Der Sprung in das angenehm temperierte Wasser läutete den Start in den Heiligabend ein. Zwar stimmte der 24.12. als Datum, nach Abgleich des Kalenders überein, allerdings waren wir einem Weihnachten nie weiter entfernt, als zu diesem Zeitpunkt. Wir telefonierten mit unseren Familien, waren bei der Bescherung via FaceTime zugeschaltet und sehnten uns an diesen Festtagen für einige Stunden nach Hause.

Strand, Palmen und Sonne hin oder her; Weihnachten feiern wir eben doch am Liebsten im Kreise der Familien. Als Weihnachtsessen gab es dieses Jahr fangfrischen Fisch am BBQ Strand und als Dessert „Tatsächlich Liebe“ auf dem Pad. Damit war der skurrilste Heiligabend in unserem bisherigen Leben Geschichte.

Auf den ersten Weihnachtstag freuten wir uns schon deutlich mehr, denn heute reisten auch Philipp und Steffi auf die Insel. Die Bekanntschaft, die sich inzwischen zu einer Freundschaft entwickelt hatte, ließ uns vor Vorfreude Purzelbäume schlagen. Tagsüber brutzelten wir in der Sonne, versuchten zu entspannen und zu lesen. Es war gar nicht so leicht runter zu kommen, wenn man es gewohnt ist, immer weiter zu reisen und rastlos durch die Welt zu tingeln.

Das Wiedersehen mit Steffi und Philipp war mehr als schön und bis spät in den Abend hinein genossen wir das Beisammensein und ihre Gesellschaft. Die nächsten Tage ließen wir es weiterhin ruhig angehen.



Als wir, neben der Sonne, etwas Energie getankt hatten, machten wir uns mit den beiden auf, die andere Seite der Insel zu erkunden.

Zwei wunderschöne, einsame Strände sollte es dort geben. Der Weg führte uns durch einen Dschungelabschnitt und die drückende Schwüle machte uns zu schaffen. Was anfangs noch nach einem gemütlichen Spaziergang aussah, entpuppte sich immer mehr zu einem „Tough Mudder“ Trek. Mit der falschen Schuhwahl, wurde das Hindernis fast unüberwindbar. Als wir dann endlich am ersten Strand, dem „Lazy Beach“, ankamen, waren unsere Gesichter länger, als der zurückgelegte Weg. Weder war der Strand wunderschön, noch war er einsam. Hinzu kamen Armeen von Ameisen, die einen Aufenthalt auf ihrem Strand nicht duldeten. Also machten wir uns auf zum anderen Strand, dem „Sunset Beach“. Eigentlich konnte es nur besser werden. Wir dachten, dass wir das anstrengendste Stück schon hinter uns hatten, da ging es plötzlich an Affenbanden vorbei über Geröllmassen durch unbändigen Dschungel. Hoch und runter. Runter und wieder hoch. Unser ständiger Begleiter? Scharenweise Moskitos, die sich über unseren Besuch und frisches Blut freuten.

Nach einer gefühlten Ewigkeit und ohne schwerwiegenden Verletzungen, erreichten wir den Strand. Immerhin, war dieser nicht von Ameisen belagert und auch sonst war er nett anzuschauen. Wenngleich er die Strapazen nicht unbedingt wert war. Wir plantschten im Wasser und badeten in der Sonne. Einzig der bevorstehende Rückweg im Hinterkopf ließ uns erschaudern. Ob der „Sunset Beach“ seinen Namen verdient hat, können wir nicht sagen. Aus Sicherheitsgründen traten wir den Survival Trek vorzugsweise im Hellen an. Auch dieses Mal meisterten wir ihn ohne Blessuren. Die Erleichterung war uns ins Gesicht geschrieben und wir belohnten uns mit etwas Gerstensaft.

Während sich die Sonne am nächsten Morgen nicht so recht entscheiden konnte, ob sie rauskommt, nutzten wir die Zeit, um die Planungen unseres letztes Drittels der Weltreise anzugehen. Auch das gehört zu einer Weltreise immer wieder dazu. Recherchen, Planen, an der Reiseroute herum feilen und schlussendlich die entscheidende Buchung zu tätigen. Ein letzter Abend mit unseren neuen Freunden war uns noch vergönnt, bevor wir uns auch von Ihnen auf unbestimmte Zeit verabschieden mussten. Eines ist sicher, dass wir uns spätestens in Deutschland wieder sehen werden. Wir sind dankbar für diese Begegnung und genau solche Momente machen das Reisen aus.

Nach Weihnachten stand das nächste Großereignis bevor. Der Jahreswechsel eines aufregenden 2019 in ein neues Jahrzehnt. Zum Abschluss dieses ereignisreichen Jahres fuhren wir mit einem Boot in die tiefschwarze Nacht hinaus aufs Meer. An einer kleinen Bucht konnten wir das seltene Naturschauspiel des leuchtenden Planktons beobachten. Chemische Prozesse führen dazu, dass die Organismen ruckartig Licht aussenden, die das umliegende Wasser illuminiert. Ausgelöst wird das Leuchten durch Bewegung, etwa beim Schwimmen. Somit mussten wir uns zunächst überwinden und ins unbekannte, schwarze Wasser abtauchen, um die Glühwürmchen des Meeres zum Leuchten zu bringen. Biolumineszenz nennt man diese Fähigkeit von Lebewesen, Licht zu erzeugen. Bedauerlicherweise kann man dieses Phänomen unmöglich auf Fotos festhalten. Auch auf unserer GoPro konnten wir außer Tauchgeräuschen vor schwarzem Hintergrund, nichts sehenswertes zutage fördern. Es war ein Moment, den man nur für sich und in seinen Erinnerungen abspeichern konnte und auf keiner anderen Festplatte. Wir badeten in einem Sternenmeer. Jede Bewegung von uns zog einen Schwarm blau leuchtender Sterne mit sich und so flogen wir, fernab von Zeit und Raum, durchs Universum.

Fast schon wie im Traum, denn als wir das Wasser verließen und das Meer wieder dunkel vor uns lag, konnte man meinen, es sei nichts ungewöhnliches an diesem Ort zu finden.

Den letzten Tag des Jahres verbrachten wir auf unserem Lieblingsplatz zwischen zwei Palmen am Meer. Zum Abend hin, wateten wir am Strand entlang zum BBQ Restaurant. Dort aßen wir, wie eigentlich jeden Tag, einen frischen „Red Snapper“ und ließen 2019 Revue passieren.






Viel haben wir erlebt und gesehen und nichts davon werden wir je vergessen können. Als unsere Reise vor über acht Monaten in Mexiko begann, starteten wir ins Ungewisse. Wie würde das Jahr verlaufen? Wird alles gut gehen? Gehen unsere Wünsche und Ziele für 2019 in Erfüllung? Rückblickend können wir dankbar und zufrieden feststellen, dass dieses Jahr sogar noch viel mehr bereit gehalten hat und schöner war, als wir es uns erträumt hatten. Wir machten wundervolle und einzigartige Bekanntschaften, sind viele Meilen gereist, haben geliebt, gestritten, diskutiert und viel gelacht. Wir haben unsere Grenzen kennengelernt, sind zu einem unschlagbaren Team heran gewachsen und wissen, wo unsere Heimat ist und wir hingehören. 2019 war ein Fest für unsere Sinne aber auch ein Test für unsere Seelen. Auch auf Weltreise gibt es Schattenseiten, denen man sich stellen und aushalten muss. So blicken wir auch auf Momente zurück, in denen wir Menschen ausgesetzt waren, die sich fremd und falsch anfühlten und uns eine große Herausforderung waren. Mit unbändiger Neugierde blicken wir nach vorn ins Jahr 2020 und gehen auf das letzte große Drittel unserer Reise zu. Die Ungewissheit, ein ständiger Gefährte.



 



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