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AutorenbildMaj & Rouven

USA 03 - In den Straßen von New York

Aktualisiert: 2. Aug. 2019

NEW YORK CITY


Es gibt Städte und Länder, da fließen beim Schreiben die Worte nur so aus den Fingern. Es gibt Momente, die sich ausschmücken lassen und solche, die nur schwer in Worte zu formen sind.

Des Öfteren haben wir Städten und Ländern die Attribute: Lebendig, aufregend, bunt, schnelllebig usw. verliehen.

Doch New York City zu beschreiben, die Zeit vor Ort und das Erlebte in Worte zu fassen, erfordert mehr als nur ausdrucksstarker Worte. Acht Tage sollte New York City unser Zuhause sein und diese besondere Zeit teilten wir mit meinem Bruder. Janik reiste nur ein paar Stunden vor uns an und empfing uns müde aber glücklich im gebuchten Apartment. Eigentlich sollte auch meine Mutter freudestrahlend im Apartment auf uns warten, doch leider verhindert ein frisch zugezogener Bänderriss das erhoffte Wiedersehen. Williamsburg in Brooklyn war für die nächsten Tage unsere Home Base. Vergleichbar mit Berlin und dem Prenzlauer Berg, ohne den ganzen Muttis und Schwaben, liegt das Viertel im Trend und perfekt gelegen.

Während wir noch im Delirium schlummerten und etwas Schlaf nachzuholen hatten, kaufte mein Bruder bereits fleißig den gesamten „Whole Foods“ leer. Vermutlich ist das der beste Supermarkt, den es aktuell auf diesem Planten gibt. Er bereitete uns ein Frühstück der Extraklasse zu und wir feierten die Abwechslung und den Service. Es war so schön, Familie um uns zu haben. Zeit miteinander zu teilen, sich auszutauschen und in alten Kindheitserinnerungen zu schwelgen. Die meisten Geschichten kreisten um unseren Hund aus der Kindheit. „Capper“ ist eben immer eine Anekdote wert. Die Atmosphäre in Williamsburg war lässig, entspannt und bot den perfekten Einstieg in unser New Yorker Leben.

Die vielen Cafés, die Shops, das bunte Treiben und die Geselligkeit gefielen uns allen gut. Fußläufig von unserem Apartment befand sich die Waterfront und präsentierte uns die Skyline Manhattans. Umgeben von immer mehr Neubauten und Wolkenkratzern, konnte sich ein markantes Gebäude seinen Stolz und Erhabenheit bewahren. Das Empire State Building. Rouven kramte blitzschnell seine Kamera raus, panisch, dass das Hochhaus, wie ein Tier, gleich wieder im Großstadtdschungel verschwindet. Und dass, obwohl er bereits das zweite Mal in New York ist. Zum niederknien schön, erstreckte sich die berühmteste Skyline der Welt am Horizont. Spätestens jetzt waren wir Drei in New York City angekommen.



Wie schon in Miami, bot sich auch in New York ein Wiedersehen mit einem Wegbegleiter aus alten Tagen. Jonas, mit dem Rouven und Romy gemeinsam vor 16 Jahren nach Australien aufgebrochen ist, sollte für drei Monate im Big Apple arbeiten. Diese Chance ließen wir uns nicht nehmen und schon am Abend begrüßten wir uns alle, wie selbstverständlich, in einer Williamsburger Szenebar. Ohne den Blick auf die Skyline hatten wir nicht annähernd das Gefühl in New York zu sein. Umgeben von Freunden und Familie hatte das Ganze etwas Surreales. Immer wieder dachten wir, dass wir einen lauen Sommerabend in Berlin verbringen. Schön und erschreckend zugleich, wie klein die Welt, wie globaler sie geworden ist.



Auch auf einer Weltreise gibt es alltägliche Dinge zu tun. Nicht jeder Tag besteht nur aus außergewöhnlichen Erlebnissen und Geschichten. Da unsere Reisegarderobe leider nicht so gut bestückt ist, wie unsere XXL PAX Schränke daheim, ging es in den Waschsalon. Die Wartezeit vor der Trommel kann man allerdings auch wunderbar gebrauchen, um den Blog zu aktualisieren. Janik nutzte die Gelegenheit seinem Hobby nach zu gehen und unterhalb der Williamsburg Bridge zu bouldern.

Nach getaner Arbeit und mit unwiderstehlich duftenden Klamotten auf der Haut, versammelten wir uns alle am Nachmittag an der Brooklyn Bridge. Unser erster Ausflug nach Manhattan stand an.




Über die Brooklyn Bridge flanierten wir zielstrebig auf die andere Seite. Wir versuchten es zumindest, denn meistens bestand das Flanieren aus Ausweichen zwischen den Menschenmengen. Die eiserne Lady war furchtbar überlaufen und Rouven fing bereits an, Vergleiche mit dem New York vor zehn Jahren zu stellen. Am Ende der Brücke brauchten wir erstmal einen Koffeinschuss, um wieder zu Kräften zu kommen. Auf einen Touristen in den USA kommen geschätzte 2 x Starbucks Filialen. Das auffällige Logo war omnipräsent und unter den Barista war ihnen die Weltherrschaft gewiss.






Unser erstes Ziel in Manhattan galt der Metrostation One World Trade Center vom Stararchitekten Santiago Calatrava. Diese beherbergt zudem eine unterirdische Mall und bot fantastische Sichtachsen zu den umliegenden Bauten. Unmittelbar an der Station befindet sich das 9/11 Memorial und Museum sowie das One World Trade Center. Das Memorial war ein besonderer Ort. Beeindruckend, traurig, ruhig und friedlich zugleich.





Eigentlich waren wir alle Drei erschöpft von dem Tag und wollten schon zurück nach Brooklyn. Aber Rouven mobilisierte uns noch auf einen Kurzausflug mit der Staten Island Ferry bei feinstem Sonnenuntergang.




Die folgenden Tage in NYC sollten wir alle Drei durchwachsen erleben. Drei Individuen mit teilweise sehr konträren Bedürfnissen und Emotionen mitten im anstrengenden Großstadtwahnsinn.

Und nun wird es kniffelig. Wie beschreibt man schwierige Situationen in Schriftform? Rouven und ich sind mittlerweile geübt darin zu reisen, haben unser Tempo aufeinander abgestimmt und kennen unsere gegenseitigen Interessen. Was tun, wenn eine dritte Person mit ins Spiel kommt? Wenn der eine rechts und der andere links gehen will? Als Kompromiss einfach geradeaus? Ich übte mich im Spagat. Im Spagat zwischen meinem impulsiven Bruder und dem strukturierten Freund an meiner Seite. Bei den Versuchen beiden gerecht zu werden, endeten für mich meist in krampfhaftem und emotionalem Stress.

Die Ziele und Wünsche von uns Dreien haben zwar eine gewisse Schnittmenge, unterscheiden sich jedoch stark an der Herangehensweise. Dennoch, wir rauften uns zusammen, die Stimmung war gut und wir starteten gelassen in den neuen Tag. Nach einem kurzen Ritt mit der Seilbahn nach Roosevelt Island, spazierten wir durch den Central Park und schnupperten New Yorker Luft. Einige Nannys bespaßten die reichen Kids der Upper Eastside und die Dogwalker hatten alle Mühe damit, die Rassehunde ihrer betuchten Kunden unter Kontrolle zu bekommen.





Rouvens immer schneller werdenden Schritte deuteten an, dass wir seinem ausgetüftelten Zeitplan nicht ganz gerecht wurden. Wir passierten einen großen See, beobachteten ein paar schwimmende Schildkröten und ließen uns dann von dem Guggenheim Museum beeindrucken.





Die Spaziergänge durch die Stadt waren schön, aber anstrengend. Die Füße taten weh, die Strecken waren weit und die Mägen leer. Der Bus brachte uns anschließend in Richtung 5th Avenue und ein paar Diskussionen über das Essen später, saßen wir in einer mexikanischen Kette und aßen grottenschlechte Burritos. Während der Service es schaffte, noch unterirdischer zu sein als das Essen, schwand die gute Laune allmählich dahin. Nachdem wir auch noch aus dem Flagship Store von Valentino auf die arroganteste Art hinauskomplimentiert wurden, waren wir alle Drei von Manhattan bedient. Vielen Leuten, denen wir entlang der 5th Avenue und Upper East- und Westside begegneten, waren überaus arrogant und würdigten uns keines Blickes. Und wenn wir doch in ihr Blickfeld gerieten, wurden wir erst gemustert und anschließend wieder ignoriert. Eine merkwürdige Gesellschaft, die nur ihre eigenen Vorteile und Bedürfnisse im Sinn zu scheinen hat.

So verging der Tag im Nu und der Abend brach an. Wir reihten uns in die Schlange vor das Rockefeller Center und fuhren hinauf auf die Aussichtsplattform. Und all der Ärger, all die Arroganz und Genervtheit, all der Stress des heutigen Tages waren aus unseren Gesichtern verflogen. Das Panorama der Stadt, die Skyline der Hochhäuser, der Central Park und der Hudson River lagen uns zu Füßen.






Wir verweilten mehrere Stunden hoch oben bei den Wolken und sahen dabei zu, wie die anbrechende Dunkelheit und die blaue Stunde die Stadt allmählich veränderte. Lichter in Apartments gingen an, während andere in den Bürogebäuden erloschen. Straßenlaternen wurden überflüssig und in der Ferne erkannten wir den Times Square, mit seinen flackernden Leuchtreklamen. So anstrengend New York City auch ist, so wunderschön, aufregend und einzigartig ist diese Stadt. Wir Drei brauchten dennoch eine Pause von Manhattan und blieben den nächsten Tag über in Brooklyn.

Wir erfreuten uns an dem Ambiente von Brooklyn und durchstreiften Williamsburg und Greenpoint mit seinen Künstlervierteln und angesagten Läden. Die Bezirke Manhattan und Brooklyn werden nur durch eine Brücke getrennt, dennoch liegen hier Welten dazwischen. Sex and the City in Manhatten trifft auf King of Queens in Brooklyn (nicht in Queens).

Brooklyn hat unendlich viel Charme mit seinen unverwechselbaren Backsteingebäuden. Ein einfacher Spaziergang fühlt sich an, wie ein Gang durch eine Kulisse.







Während Janik heute wieder seine Boulderschuhe zuschnürte, fuhren Rouven und ich nach Manhattan. Die Anstrengungen der letzten Wochen machten sich heute extrem bemerkbar. Wir kamen körperlich an unsere Grenzen und unsere müden Beine kamen kaum einen Meter weit voran. Der Zwiespalt zwischen Schlafen und Sightseeing. Ein ewiger Kampf, den wir kämpfen. Vorbei am Flatiron Gebäude und dem "Strand Bookstore" ging es in Rouven´s alte Hood. Wo er vor 10 Jahren für einige Zeit bei seinem liebsten Thomy hauste. Nach einigen nostalgischen Erinnerungen und alten Geschmäckern in Form von Eis und Pizza später, ging es für uns bei bestem Wetter in Richtung Soho. Wir passierten das Whitney Museum und trafen uns mit meinem Bruder am Chelsea Market wieder, dem Paradies und Inbegriff für Essensfetischisten. Janiks neuem Lieblingsort und der Heimat, vom besten asiatischen Nudel-Gulasch, das ich je gegessen habe.



Nach dem Gaumenschmaus ging es für uns über die Highline. Die alte Hochbahnstrecke wurde in eine Oase für Fußgänger verwandelt und lädt inmitten der hektischen Großstadt zum Verweilen ein. Was für ein wunderschöner Abschluss eines Tages, der so müde und erschöpft begann.






Die Besichtigung des amerikanischen Naturkundemuseums stand für uns allesamt ganz oben auf der Liste. Wir erfreuten uns an einem der besten Museen seiner Art. Kurzzeitig wurde unsere Vorfreude auf den Besuch von einer riesigen Besucherschlange am Eingangsbereich getrübt. Nachdem wir ewig anstanden und endlich den Einlass passierten, befanden wir uns inmitten von einzigartigen Dioramen. Gewaltig, schön und sehr realitätsnah, bewunderten wir die Schaukästen. 3,5 Stunden verbrachten wir in den geschichtsträchtigen Gemäuern des Museums. Draußen regnete es inzwischen Bindfäden und der Himmel schwebte bedrohlich schwarz über uns. Nach unserem kulturellen Besuch ging es erneut durch den Central Park; Regen hin oder her. Kaum ein Mensch war zu sehen, kaum ein Hund wurde spazieren geführt und der Park erstreckte sich ruhig und friedlich vor uns. Die nassen Klamotten waren nur Nebendarsteller von einem spektakulären Theaterstück. Wir liefen Richtung Times Square und der Regen hielt an. Konstant plätscherte er auf unsere sommerlichen Kleidung hinab und die sonst so hervorstechende Skyline verlor sich im Dunst des Nebels.





Am Times Square bestaunten wir die Leuchtreklamen und riesigen LED Wände, die uns von allen Fassaden entgegenschrien. Wir flüchteten vor dem Unwetter in ein Hotel, das Rouven bereits als den ultimativen Insidertipp vor zehn Jahren hervorkramte. Und diese Erinnerung bescherte uns einen wilden Ritt in einem der zahllosen Fahrstühle des Hotels. Quasi durch den Boden, rast das Gefährt aus Glas, 45 Stockwerke hinauf und hinab. Janik´s Knie zitterten, mir war schlecht und Rouven entpuppte sich als Adrenalinjunky. Voller Endorphine schwankten wir glückselig nach Hause. Der vorletzte Tag in New York war ein ruhiger, warmer Sommertag. Während Janik sich im Kino den neuesten Horrorfilm anschaute und ich dankend ablehnte, schlenderten Rouven und ich durch Williamsburg. Die Sonne ließ sich wieder blicken und der Tag gestaltete sich als unaufgeregt. Unser abendlicher Spaziergang zur Uferpromenade, um die Skyline beim Sonnenuntergang mit einem Bier zu verabschieden, rundete den Tag ab.

Und ganz langsam hieß es der Skyline New Yorks Lebewohl zu sagen.




Am nächsten Tag ging die Reise für uns alle weiter. Wir verstauten unser Gepäck und nutzten die restliche Zeit, um noch über einen Flohmarkt zu spazieren. Janik´s Flug ging am Nachmittag zurück nach Berlin und der Abschied fiel mir sehr schwer. Ich habe es so genossen, ihn um mich zu haben und verspürte eine unendliche Dankbarkeit, dass ich ihn als Bruder habe. Während unsere Eltern es mit uns Streithähnen in der Jugend nicht leicht hatten, sind wir mit den Jahren immer enger zusammen gewachsen. Als der beste Bruder der Welt die Treppenstufen zur Metro hinunter ging, kullerten meine Tränen. Die Zeit war zu schnell vergangen. Nachdem ich wieder alle Sinne bei mir hatte, hievten auch wir die großen Rucksäcke auf unsere Rücken und machten uns auf den Weg zum Bahnhof. Die nächste Stadt wollten wir nicht im Sturmflug erobern, sondern gemächlich mit der Eisenbahn. Über 22 Stunden Zugfahrt lagen nun zwischen uns und Chicago.




 

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