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  • AutorenbildMaj & Rouven

USA 06 - Rastlos durch das Land der Freien - Teil 02

Aktualisiert: 27. Sept. 2019

DEATH VALLEY NP | SEQUOIA NP | YOSEMITE NP | MONTEREY | HIGHWAY NUMBER 1 | SAN LUIS OBISPO | LOS ANGELES


Nach der Stadt der Lichter, der Casinos, der Glücksritter und des Geldes, führte unser Weg von Las Vegas immer weiter in die Wüste. Unser neues Ziel hätte ebenfalls ein spannendes Abenteuer der Drei ??? betiteln können und auf unserem Weg zum „Tal des Todes“ wurde es immer einsamer, heißer und trockener um uns herum. Als selbst die voll aufgedrehte Klimaanlage in unserem neuen Gefährt nur kläglich gegen die brennende Sonne um die Mittagszeit ankam, wussten wir, dass wir unserem Ziel immer näher kamen. Mitten in der Mojave-Wüste liegt nicht nur der trockenste, wärmste, größte und tiefste Nationalpark der Lower 48 in den USA, sondern auch einer der heißesten Orte auf dieser Erde. Die Ankunft im Death Valley Nationalpark war so trist wie nirgends zuvor. Knorrige Äste hingen von den Bäumen, kaum eine Pflanze blühte in einem satten Grünton und unsere Augen blickten weit und breit auf ockerfarbene, karge Wüstenlandschaften. Nicht einmal Ranger waren in diesen Gebieten anzutreffen und wir fühlten uns, als wären wir auf dem Mond zu Gast. Vom bezaubernden Dantes View Point aus, führte unsere Stecke bis runter in und durch das Tal.






Eine überschaubare Fülle an Touristen begegnete uns auf unserer Route, denn nicht viele Reisende scheinen diesen Ort auf Ihrer "Bucketlist“ zu haben. Die Straße führte über eine unwirtliche Landschaft bis hin zu faszinierenden Aussichtsplattformen. Während hoch oben auf dem Dantes View Point noch ein angenehmer Wind wehte, mussten alle Besucher tief im Tal der unerbittlichen Sonnen erliegen.

Einige Male blieben wir im Auto sitzen und betrachteten die szenische Landschaft durch die Scheiben hindurch. Es war schlicht und ergreifend zu heiß zum Aussteigen. Um nicht im Dunkeln unser Zelt aufschlagen zu müssen, ging unsere Reise zügig weiter. Während am Zabriskie Point die Gesteine wie eine perfekt geformte Sandwüste vor uns lagen, kamen wir zum Sonnenuntergang in einer wahrhaften Wüste an. Die Sanddunes of Death Valley lagen im Licht der untergehenden Sonne wie gemalt am Horizont. Wir beobachteten, wie aus dem harten Gestein am Straßenrand weicher, beigefarbener Sand wurde und trauten unseren Augen kaum. Woher kamen all diese Sandkörner und wieso formten sie sich ausgerechnet an dieser Stelle zur perfekten Wüste zusammen? Es blieb uns ein Rätsel. Genau solche Rätsel und einzigartigen Orte machen für uns die Faszination dieser Erde aus.





Nach einem unnatürlich schönen Sonnenuntergang kamen wir letztendlich doch im Stockdunkeln am Zeltplatz an.

Kein anderes Zelt war weit und breit zu sehen. Als einzige Idioten, die ihr Zelt mitten in der heißen Wüste aufschlugen, gehörte der Ort uns allein und nur das Zirpen der Grillen begleitete uns durch die Nacht. Als am späteren Abend unsere Blicke in den Himmel wanderten, waren wir glücklich. Glücklich darüber, genau hier zu sein, in diesem Ambiente und nicht in einem geschlossenen Raum eines beliebigen Motels.

Für uns Hobbyastronomen war die Milchstraße über unseren Köpfen so klar erkennbar, die Sterne so hell leuchtend und alles um uns herum so pechschwarz. Sternschnuppen flogen hinweg und als der Mond immer mehr hinter dem Berg aufging und hell leuchtete, erblasste der Nachthimmel. Ein kurzer aber besonderer Moment. Wir prüften vor dem Schlafengehen noch unsere Schlafsäcke auf Schlangen und ruhten so lange, bis die gnadenlose Sonne am nächsten Morgen auf unser Zelt knüppelte.



Von den Vermietern des Campgrounds bekamen wir, vermutlich aufgrund unserer Tapferkeit, ein kostenloses Frühstück spendiert und gestärkt nahmen wir Abschied von diesem speziellen Ort. Wir kamen ohne große Erwartungen, da der Nationalpark auf unserem Weg lag und gingen mit vielen bleibenden Erinnerungen an fantastische Momente.

Avocado- und Olivenbäume, Weinberge und Orangenblüten, die Natur um uns herum fühlte sich nach der Dürre im Tal so lebendig an wie nie zuvor. Unsere Augen nahmen die Veränderung dankend an und wir konnten uns an der neuen Farbpracht kaum satt sehen.

Unser Jahrespass für alle Nationalparks der USA, der uns bereits seit Beginn Alaskas begleitet, war wie eine Eintrittskarte ins Natur-Paradies. Und diese Möglichkeit nutzten wir so gut es ging. Es gab und gibt so viel zu entdecken in diesem schier endlosen Land. Obgleich wir auf unserer Weltreise nirgends so lange sein werden wie in den USA, scheint die Zeit niemals auszureichen. Wir erreichten gegen nachmittag den Sequoia Nationalpark und richteten unser Zeltlager her. Auf diesen Nationalpark waren wir besonders gespannt, denn hier waren die mächtigsten Bäume der Welt zu Hause. Die Sequoias, auch bekannt als Mammutbäume. Wir freuten uns auf ausgedehnte Spaziergänge durch dichte Wälder zwischen den Giganten. Zum Sonnenaufgang fuhren wir los, damit wir die magischen Morgenstunden ohne Menschenmassen für uns genießen können. Der gesamte Zeltplatz lag noch fest im Schlaf und die Straßen waren leergefegt. Viel Gegenverkehr hätten die engen Serpentinen nicht zugelassen, somit hatte sich das frühe Aufstehen schon gelohnt. Als Allererstes steuerten wir unser ganz persönliches Highlight an, den Tunnel Log.

Es war einmal ein riesig großer Baum, der sich 1937 quer auf die Durchfahrtsstraße des Nationalparks legte. Was tun, wenn einem dieser Weg verwehrt wird, fragten sich die Ranger und schmiedeten einen Plan. Statt den Baum klein zu sägen und die Straße so passierfähig zu machen, frästen sie einen Tunnel hinein. Breit und hoch genug, dass selbst große Autos hindurch passten und diese Straße weiterhin befahren konnten. Und ganz nebenbei, erschufen sie eine der Hauptattraktionen des Parks.

Nach einer Stunde erreichten wir unser Ziel und schauten uns um. Wir trauten unseren Augen nicht. Weit und breit war keine Menschenseele zu sehen. Wir waren tatsächlich die einzigen Touristen an diesem „Hotspot“. Wir nutzten die Gelegenheit und fuhren einige Male durch den Tunnel, drehten Videos, machten Fotos und staunten einfach nur. Es waren unglaublich schöne Augenblicke, die wir an diesem Ort erleben durften.





Wir ließen das Auto stehen und liefen drauflos. Der Wald, mit seinen majestätischen Bäumen, zog uns magisch an. Unser Sichtfeld reichte kaum bis zu den Baumwipfeln und die massiven Stämme wirkten, als könnten Sie jedem und allem auf dieser Welt standhalten.

Sie schienen unverwundbar. Kein Wind würde stark genug wehen, kein Blitz kräftig genug einschlagen und keine Maschine stark genug sein, diese Bäume zu verletzten. Dass dies nicht der Wahrheit entspricht, ist uns leider bewusst. Was wir hier sehen dürfen, ist lediglich ein Bruchteil des Bestandes vergangener Tage. Ganz Kalifornien war bepflanzt mit diesen Schönheiten, bis die Holzindustrie ihr Interesse zeigte und radikal abholzte. Wir fühlten uns winzig klein neben den hohen Bäumen, die teilweise über 100 Meter in den Himmel ragen. Auch die Rinde schien aus einer anderen Welt zu stammen.



Plötzlich knackste es und ruckartig drehten wir uns um. Schon des Öfteren hatten wir es in Nationalparks knacken oder rascheln hören und immer dann hielten wir vorsichtig Ausschau nach Bären. Doch nie hatten wir ein Exemplar aus kurzer Distanz zu Gesicht bekommen. Diesmal war alles anders. Wie ein Kugelblitz sauste ein Schwarzbär aus dem Unterholz kommend an uns vorbei und suchte das Weite.

Zwischen Faszination und Schockstarre traten wir den Rückzug an. Immer den einen Satz der Rangerin aus Alaska im Ohr: „Wir sind die Gäste und die Tiere haben hier ihren Raum“. Und um noch ein bisschen mehr Wahrheit mit einfließen zu lassen - unsere Herzen rasten wie wild und wir spürten das Adrenalin durch unsere Andern schießen.

Nach einer kurzen Atempause, im sicheren Auto, fuhren wir weiter durch den Park zum nächsten Höhepunkt, dem holzreichsten Baum der Welt. Der Big Sherman Tree, stand wie ein Fels in der Brandung zwischen all seinen Artgenossen und wirkte; gar nicht mal so groß. Dafür war sein Durchmesser umso enormer. Dieser Baum speichert mehr Holz und ist massiver als jeder andere Baum auf diesem Planeten. Inzwischen fühlten wir uns wie bei Alice im Wunderland. Nach dem Vernaschen des Kuchens,

der sie so klein werden lässt und die Welt um sie so groß.



Immer weiter führte uns der Weg hinein in die Welt der Giganten. Dieses Märchen wurde durch einen lauten Aufschrei mit anschließendem Gelächter unterbrochen. Als wir uns umdrehten, sahen wir eine Familie mit zwei Kindern. Wobei die „Kinder“, beide um die 25 Jahre alt, ihre Fressalien in die Luft schmissen und versuchten, diese mittels ihren Mündern aufzufangen. Ein Spiel, das jeder in seinem Leben bereits gespielt oder ausprobiert hat. Wir wollten den beiden Spaßvögeln keine weitere Beachtung schenken, da sahen wir, dass der Junge bei all seinen Versuchen kläglich scheiterte und sich nicht einmal bemühte, seine Kräcker aufzuheben. Wie bei Hänsel und Gretel hinterließ er eine Spur an Müll. In diesem Moment kam alles in mir hoch. Die gesamten letzten Wochen, die geballte Wut auf die ignoranten Touristen flammte in mir auf und ich stiefelte zielstrebig auf Hänsel zu.

Zu oft haben wir mit angesehen, wie unverschämt Menschen mit dieser Natur und ihren eigenen Mitmenschen umgehen und zu oft hatten wir geschwiegen. Wozu haben wir einen Mund und eine Meinung, wenn sie in solchen Momenten nicht ausgesprochen wird?!

„Glaubst du eigentlich wirklich, dass dies hier dein ganz persönlicher Mülleimer ist? Das ist die Natur und jeder Mensch sollte diese mit Respekt behandeln! Und jetzt heb deinen Scheiß auf!“

Ein blass gewordener Junge stand vor mir und bückte sich sogleich, seinen Müll aufzusammeln. Immerhin, ein kleiner Erfolg. Noch lange brodelte es in mir und solche Szenen beschäftigen mich. Wir versuchten uns nicht weiter hineinzusteigern und ließen uns nach ein paar Augenblicken wieder voll und ganz auf die Kulisse um uns herum ein.

Nach der herrlichen Wanderung durch die Wälder kamen wir Mittags am Parkplatz an und plötzlich schienen alle Tagestouristen erwacht.

Nun war jeder Platz belegt und wartende Autos hielten Ausschau nach frei werdenden Spots. Wir nutzten den Vorsprung weiter aus und fuhren zu einem Trail, der uns fast an zu Hause erinnerte. Eine Lichtung wurde von dem Weg umschlossen, die an blühende Heidelandschaften in Niedersachsen erinnerte. Wir liefen immer weiter und auch hier war kaum ein Tourist zu sehen. Unser Zeitmanagement am heutigen Tag war optimal. Die Spaziergänge durch die hiesigen Wälder waren nach all den kargen und trockenen Orten der letzten Wochen eine Wohltat. Und wir atmeten tief durch. Unser Rückweg zum Campground führte uns erneut am „Tunnel Log“ vorbei. War dieser am frühen Morgen noch ein zauberhafter Ort der Einsamkeit gewesen, reihten sich nun Autoschlangen und Menschen an dem berühmten Baumstamm.

Den perfekten Tag ließen wir bei einem erfrischenden Bad und Bier im naheliegenden Fluss ausklingen. Unsere Badewanne für Heute, denn Duschen gab es keine auf dem Zeltplatz.



Der Yosemite nördlich gelegen, sollte der vorerst letzte Nationalpark der Lower 48 für uns werden. Einmal wollten wir in den Apple Desktop eintauchen und die Mystik dieses Parks zu spüren bekommen. Er gilt als Gründungspark und Vater aller Nationalparks, wobei er streng genommen nur der zweitälteste Nationalpark der USA ist. Viele geschichtsträchtige Ereignisse fanden an diesem Ort statt. Tief verwurzelt scheint die Ideologie und die Geschichte des Parks in den Köpfen der Amerikaner verankert. So wundert es nicht, dass auch der Konzern Apple einige seiner Betriebssysteme nach Landmarks des Yosemite benannt hat.

Da die Campingplätze innerhalb des Parks über Monate hinaus ausgebucht sind oder per Lotterie verlost werden, konnten wir uns glücklich schätzen, dass wir noch einen Platz unmittelbar vor dem Eingang ergattern konnten. Dieser war sehr idyllisch und inmitten hoher Gräser schlugen wir unser Zelt auf und krabbelten zeitig auf unsere Isomatten.



Den Wecker für den Folgetag hatten wir auf 05:00 Uhr gestellt. Einzig meiner schwachen Blase war es zu verdanken, dass wir einen der wundervollsten Nachthimmel in unser beider Leben bestaunen durften. Was wir im Death Valley schon für einen kurzen Moment erahnen konnten, legte sich hier wie eine warme Decke über die Erde nieder. Die Sterne waren zum Greifen nah, Satelliten blinkten und drehten ihre Bahnen, der Mond war nur als Sichel erkennbar und keine Lichtverschmutzung trübte unsere Sicht. Lange saßen wir einfach nur da und schauten zum Himmelszelt hinauf. Anschließend ging es wieder zurück in unseres.



Um 5:30 Uhr brachen wir wieder auf und die Helligkeit des anbrechenden Tages lugte ganz zart aus der Dunkelheit hervor. Strikt nach Vorschrift hielt ich mich ans Tempolimit. Kein Police Officer sollte je wieder einen Grund haben mich anzuhalten und prompt wurden wir von einem rasenden Idioten und seinem Mittelfinger überholt; na herrlich.

Nach einer knappen Stunde erreichten wir bei Sonnenaufgang den „Tunnel View“. Von diesem Punkt hat man einen hervorragenden Blick über das gesamte Tal, samt "Half Dome“ und „El Capitan“, den beiden charakteristischen Felsformationen im Park. Dekoriert wird das Ganze noch durch einen Wasserfall und zahllosen Bäumen.



Unterhalb des „El Capitans“, direkt am Flusslauf, schlugen wir unseren Picknickplatz auf und frühstückten. Ein Frühstück mit Ausblick und fernab von Tiffanys. Mit dem Shuttle und per Pedes erkundeten wir den Park und stellten fest, dass uns der berühmte Yosemite nicht richtig begeistern konnte. Waren wir wohlmöglich zu satt? Hatten wir schon zu viel gesehen oder sind gar abgestumpft? Natürlich ist dieser Park einzigartig schön, wenngleich er mehr Kletterbegeisterten zu empfehlen ist.





Am Nachmittag fuhren wir erschöpft zurück und stoppten bei einer Hotelanlage, kurz vor dem Ausgang. Diese Anlage, bestehend aus mehreren Holzhäusern, erinnert stark an den Film „Dirty Dancing“ und nimmt einen mit auf eine kleine Zeitreise. Da wir erneut ohne fließend Wasser und Duschen auf der Campsite auskommen mussten, gab es noch einen weiteren Grund für unseren Zwischenstopp am Hotel. Durch eine Rangerin hatten wir das Geheimnis erfahren, dass es „öffentliche“ Duschen für Gäste des Hotels gibt. Für kurze Zeit mimten wir dann betuchte Hotelgäste und suchten zielstrebig die Duschkabinen auf. Danach ließen wir uns auf Liegestühlen von der Sonne trocknen und verwöhnen. Man wird es uns verzeihen; wir wollten nur etwas Reinlichkeit.

Am nächsten Tag sollte es endlich wieder ans Meer gehen. Seit Seward in Alaska hatten wir keinen Ozean mehr gesehen. Wir freuten uns auf eine frische Brise und fuhren der Meeresluft entgegen nach Monterey. Der Highway Number 1 rief nach uns und wir wollte diesem Ruf gehorsam Folge leisten. Die kleine Stadt Monterey begrüßte uns direkt mit 0 freien Campingplätzen und explosionsartigen Hotelpreisen. Nach langer Suche auf diversen Parkplätzen entschieden wir uns für eine ruhige Seitenstraße, um dort im Auto zu nächtigen.

Im Gegensatz zu „Mr. Big“ bot der neue Wagen eine größere Liegefläche, diese allerdings mit einer gehörigen Schieflage. Die Nacht war mal wieder wenig erholsam und wir stolperten am nächsten Morgen am Fischereihafen entlang. Dort konnten wir die unterschiedlichsten Robbenarten und Seeotter beobachten. Es war ein friedlicher Einstieg, um den berühmtesten und angeblich schönsten Highway der Welt zu befahren.




Der 17 Miles Drive bildete den Auftakt unseres Gastspiels „On the Road“. Bei stark wehendem Wind klatschten die Wellen gegen die großen Felswände und Gesteine im Wasser. Möwen lachten über unseren Köpfen, das Rauschen des Meeres begleitete uns und das Wetter veränderte sich stetig. Irgendwo zwischen hier uns San Luis Obispo wollten wir nächtigen und so fuhren wir immer weiter auf dem Highway Number 1.




Am „McWay Fall“ verweilten wir einige Momente und hielten Inne. Der am Häufigsten fotografierte Spot entlang der ruhmreichen Straße. Hier trifft ein zart fallender Wasserfall auf die raue und schroffe See. Wie ein Kuss zwischen zwei Liebenden, die aus zwei Parallelwelten zu kommen scheinen.



Wir passierten einige Campingplätze und stockten. Für ein kleines Fleckchen Erdboden ohne jeglichen Komfort, ohne fließend Wasser, ohne Strom und ohne Internet, riefen die raffgierigen Eigentümer satte 80,00 € pro Nacht auf…Hier ist der Kapitalismus Zuhause!

Also fuhren wir immer weiter entlang des Highways und Sonnenstrahlen wechselten sich mit Wolkenbrüchen ab. Ein schönes Schauspiel am Himmel begleitete uns und Meile für Meile führte unser Weg immer weiter in den Süden. So weit, dass San Luis Obispo nah genug war, um unser morgiges Ziel um einen Tag nach vorne zu rücken. Wir nahmen uns die Zeit und sahen der Sonne dabei zu, wie sie im Meer versank.

Surfer saßen auf ihren Brettern, Familien auf Ihren Decken und langsam wurde die Sonne am Horizont immer kleiner.




Wie erwartet, waren alle bezahlbaren Unterkünfte oder Zeltplätze in oder um SLO (San Luis Obispo) für die heutige Nacht bereits vergeben. Nur noch eine Nacht mussten wir irgendwo halb legal über uns ergehen lassen. Ab morgen hatten wir uns für drei Nächte eine kleine Ferienwohnung über Airbnb gemietet. Immerhin gab es unseren Lieblings-Supermarkt „Wholefoods“ in SLO. Somit war unser favorisierter Parkplatz für die Nacht gefunden. Um die kommende Szene zu verstehen muss man wissen, dass die Supermärkte in den USA allesamt einen Bereich zum Essen und Verweilen haben sowie ein Café und Gästetoiletten. Darüber hinaus haben die meisten Supermärkte stabiles Internet. Es wundert also nicht, dass wir Menschen trafen, die diesen Bereich ihr Zuhause nennen. Mit einem Wohnmobil als Eigenheim, leben Menschen auf den Parkplätzen der Supermärkte und verbringen Tag ein Tag aus in den Lebensmittelgeschäften. Jeder dieser Menschen wird eine Geschichte haben, die sie hierher brachte. Ein tristes Dasein mit wenig Abwechslung und noch weniger Perspektive. Für uns war es nur temporär. Ein Abenteuer. Ein Roadtrip. Ein paar unbequeme Nächte im Auto. Wir haben eine Wahl, andere nicht.

Bevor wir unsere heiß ersehnte Unterkunft beziehen konnten, mussten wir den folgenden Vormittag mit schönen Ereignissen füllen, denn der Check-In war leider erst um 14:00 Uhr. Wir fuhren durch das kleine Örtchen und verliebten uns sofort in die gemütliche aber städtische Aura. Die Glocken läuteten zur Sonntagsmesse und wir statteten der sehenswerten Stadtkirche einen Besuch ab. Vergleichbar mit Besucherzahlen an Heiligabend in deutschen Gotteshäusern, waren hier die Holzbänke bis auf den letzten Platz gefüllt. Der Chor sang, die Gemeinde stimmte ein und egal ob wir an einen Gott oder das Universum glauben, solche Momente und Erfahrungen sind wertvoll für jeden Menschen. Amen.

Auch nach dem Sonntagsgebet hatten wir noch reichlich Zeit zu überbrücken. Trotz dicker Augenringe und dem dringenden Bedürfnis nach Duschen und einer ausgiebigen Portion Schlaf. Wir schauten uns das erste Motel der Welt an. Das „Madonna Inn“ ist eher eine gruselige Version eines Disney Märchens. Mit eigenem Souvenir-Shop für den ganz bizarren Geschmack. Irgendwann hatten wir dann den Check-In Punkt erreicht und kehrten zu unserer Unterkunft.

Wir fühlten uns in diesem kleinen Apartment mit Terrasse und Patio sofort wohl. Unser Luxus für die nächsten Tage bestand aus einem Sofa und einem Fernseher. Einen Abend zu Zweit mit einem guten Film auf der Mattscheibe und gutem Wein in der Kehle waren selten geworden. In SLO, wie die Einheimischen sagen, leben angeblich die glücklichsten Menschen der gesamten USA. Zumindest behauptet das die Moderatorin Oprah Winfrey. Und die muss es schließlich wissen. Neben der schönen Innenstadt und der Nähe zum Ozean, ist die Region bekannt für ihre herausragenden Weine. Den umliegenden Feldern statteten wir am nächsten Tag einen Besuch ab. Wir durchliefen diverse Weinproben, schauten dabei auf die Reben, dem der edle Tropfen entstammt und unterhielten uns ausführlich mit den ansässigen Weinexperten. Die „Biddle Ranch“ rundete mit seiner schönen Außenterrasse und behaglichen Atmosphäre den Tag ab.



Selig und beschwipst fuhren wir nach Hause. Ein unaufgeregter Tag folgte und wir schlenderten durch die Straßen SLO’s. KREUZBERG, prangerte mit großen Lettern an einem Szenecafé. Tatsächlich ist dieses Café nach dem berühmten Kiez in Berlin benannt, wo die Besitzer lange Zeit lebten. Die Welt ist eben ein Dorf.

In San Luis Obispo wartet noch ein sehr sonderbares Highlight auf die Touristen. In einer kleinen Gasse, der „Bubblegum Alley“, sind die Wände voller Kaugummis beklebt und die Besucher sind dazu angehalten sich zu verewigen.




Ein letztes Mal packten wir unsere sieben Sachen zusammen und Tags drauf steuerten wir unserer letzten Station entgegen. Los Angeles, L.A., die Stadt der Engel. Nach den ereignisreichen Wochen auf der Straße hatten wir beide eher wenig Lust auf eine laute Stadt voller Autobahnen und standen dem Besuch skeptisch gegenüber. Rouven kannte bereits Los Angeles von seiner Reise vor 16 Jahren und hatte damals nicht nur positive Erfahrungen gemacht.

Wir wohnten bei einem netten jungen Paar mit einem ausgesprochen spielfreudigen Hund. Es war eine Ruheoase inmitten des ganzen Verkehrslärms und der ewig andauernden Staus. Los Angeles bietet seinen Bewohner kaum öffentliche Verkehrsmittel, somit ist jeder auf seine Blechschleuder angewiesen, um die riesigen Distanzen innerhalb der Stadt zu überwinden. Wir ließen unser Auto stehen und bestellten uns ein Uber. Das steckt zwar ebenfalls im Stau, erspart uns jedoch die Suche nach einem Parkplatz und zusätzlichen Stress.

Der Hollywood Boulevard mit all seinem Charme, dem Walk of Fame und dem Duft nach Berühmtheit bildeten den optimalen Einstieg. Wir spazierten über die Sterne, immer den Kopf gesenkt, um keine Persönlichkeit zu verpassen und fanden uns vor dem „TLC Chinese Theater“ wieder. Dem Kino, in dem alle Premieren großer Filme vorgestellt werden. Wir standen auf den Fußabdrücken von Tom Hanks, hielten Händchen mit Ryan Gosling und Emma Stone und streichelten Zac Efrons Body.





Bereits einige Tage zuvor hatte Rouven angekündigt, sein altes Hostel von damals wieder finden zu wollen. „Irgendwo auf dem Hollywood Boulevard war das Hostel. Ganz in der Nähe von einem McDonalds“, erinnerte er sich. „Irgendwo war ein McDonalds…“ hörte ich heute also den ganzen Tag über wie ein Mantra und ich war erleichtert, als das gelbe M endlich aus der Ferne leuchtete. Das alte „Hollywood Hostel“ existierte tatsächlich noch und für solch einen treuen Gast gab es eine exklusive Führung durch die neu renovierten Räumlichkeiten. So viel Nostalgie machte die freundliche Angestellte ganz rührselig. „Wir sehen uns in 16 Jahren!“, scherzte Rouven beim Rausgehen. „Oh Gott, da arbeite ich hoffentlich nicht mehr hier!“, entgegnete uns mit einem lauten Gelächter.

Neben dem ganzen Hollywood Zirkus, ist Los Angeles vor allem bekannt für seine herausragende Architektur des Mid Century. Als Architekturbegeisterte recherchierten wir im Vorfeld über mögliche Besichtigungen in und um L.A. In den Hollywood Hills thront das berühmte „Stahl House“ aus dem Case Study Programm. Und unsere Helden des Produktdesign, Ray und Charles Eames, bauten hier ihr Wohn- und Atelierhaus, welches ebenfalls zum Case Study Programm gehört. In der Geschichte der Architektur gilt dieses Programm als beispiellos und gab den Amerikanern neue Ideen für den Wohnbau.

Im Gegensatz zu vielen Hotspots, wie dem Antelope Canyon, wird bei Architekturbesichtigungen nicht an Profit gedacht. Die Besuchergruppen werden bewusst klein gehalten, damit sich der Geist des Ortes frei entfalten kann. Dementsprechend schwierig ist es natürlich an freie Plätze zu gelangen. Zwei Wochen vor unserer geplanten Ankunft in L.A versuchten wir unser Glück, um uns Online ein Ticket zu sichern.

Viel zu spät, wie sich herausstellen sollte, denn die raren Plätze waren über Monate vergriffen. Als Pärchen auf „Honeymoon“ Reise versuchten wir unser letzten Joker zu ziehen, um vielleicht doch noch nachrücken zu können. Damit schafften wir es lediglich auf eine lange Warteliste. Immerhin konnten wir noch ein Zeitfenster im Eames House erhaschen, was an sich schon ein absoluter Traum ist. Das Stahl House ist allerdings die Krönung aller Architektur Schöpfungen.

Voller Vorfreude machten wir uns für Ray und Charles Eames schick und fuhren zu ihrem Haus. Das Designer Paar lebte und arbeitete hier bis zum Tod in ihrem ganz persönlichen Traum aus Licht, Natur und Kitsch. Nun wird es von einer Stiftung am Leben erhalten und für Besucher zugänglich gemacht. Als wir an dem Haus ankamen, spürten wir bereits diese ganz besondere Aura um uns herum.






Ein Ort in Los Angeles, unweit des Santa Monica Piers, der eine lebendige Ruhe ausstrahlt. Wir versuchten die Gebäude auf unsere Netzhäute zu brennen und festzuhalten. Wir konnten uns von dem Anblick kaum losreißen und verbrachten fast einen halben Tag auf dem Anwesen. Üblicherweise halten sich die Besucher etwa eine Stunde auf. Und wäre der Besuch bei Ray und Charles Eames nicht schon Highlight genug gewesen, poppte eine Nachricht auf dem Display des Handy auf. Das Stahl House würde sich freuen, uns an unserem letzten Abend in L.A als Gäste zu empfangen. Zum Sonnenuntergang. Wunder gibt es immer wieder.

Eimerweise schütteten wir Endorphine aus und strahlten am Venice Beach mit der Sonne um die Wette. Der Venice Beach entspricht exakt den Bildern und Vorstellungen, die man von ihm hat. Berühmt für den Muscle Beach, den vielen Sportanlagen, den durchtrainierten Menschen und der lauten Musik. Skater flippten ihre Boards gekonnt durch die Half Pipe und Basketballer versanken die Körbe im Sekundentakt.






Begeistert von so viel Sportlichkeit schritten wir neugierig zum Muscle Beach. Dort gab es allerdings weniger Ertüchtigung zu beobachten. Es war bloß eine peinliche Ansammlung halbstarker Jungs, die sich ausschließlich für das perfekte Foto an der Klimmzugstange rekelten. Sportler sieht man hier schon lange nicht mehr.



Als der junge David Hasselhoff von seinem Turm hinabstieg, um die Lage am Strand zu begutachten, gingen wir zurück zum Auto und fuhren zum Observatorium, unserem letzten Tagesziel.



An der Sternwarte gab es viel zu sehen. In erster Linie Menschen. Dann ganz viel Stadt von Oben. Und dann gab es da noch den Blick auf ferne Planeten. Durch das Objektiv eines Teleskops konnten wir Jupiter und Saturn ausmachen. Selbst die flimmernde Atmosphäre war deutlich zu erkennen. Nun durften wir auf unserer Reise sogar ein klein wenig durch das Weltall fliegen. Was für ein faszinierendes Schauspiel!

Als der Tag zu Ende ging waren wir bereits verliebt. Verliebt in die Stadt der Engel.




Der krönende Abschluss, das Tüpfelchen auf dem I, die Kirsche auf der Sahnetorte oder einfach die Blume auf dem Bier, sollte im Besuch des Stahl House münden. Die Fahrt dorthin führte durch die Hollywood Hills. Allein die Gegend zu erkunden war ein lohnenswerter Ausflug. Die meisten Häuser sind in eine Hanglage gebaut und viele von ihnen sind so speziell, dass man sie bereits aus Architekturmagazinen oder Büchern kennt. Ein kurioses Haus gehört dem Buchverleger Benedikt Taschen vom Taschen Verlag. Dieses ungewöhnliche Haus, 1960 vom Architekten John Lautner entworfen, erinnert an ein Ufo und steht zum Abheben bereit.



Am Stahl House waren wir die ersten Gäste des Abends und wurden liebenswert empfangen. Unsere Gruppe wuchs auf 12 Personen an und dann wurden die Tore zum Haus feierlich eröffnet.

Wie ein Bild aus einem Traum, lag das Gebäude im zarten Licht der Abendsonne vor uns. Und diesen Traum durften wir nun tatsächlich betreten. Zur Straßenseite hin hatte sich der L-förmige Baukörper noch unscheinbar und verschlossen gezeigt. Das änderte sich im Inneren ins Gegenteil. Der südliche Gebäudeflügel ist vom Boden bis zum Dach vollständig verglast und bietet so von allen Räumen Ausblick über die Stadt. Der Übergang zwischen Innenraum und Außenbereich ist fließend und geprägt von Harmonie und Schönheit.

Als die Sonne langsam unterging und die Lichter der Stadt anknipsten, saßen wir einfach nur da und atmeten den Moment ein. Das Gefühl, was wir in diesem Augenblick empfanden, ist nur schwer in Worte zu fassen.






Es war das perfekte Ende unseres rasanten Roadtrips durch die USA. Knapp 10.000 Kilometer Straße lagen hinter uns und nach 2,5 Monaten sollten wir morgen den Kontinent Amerika in Richtung Hawaii verlassen.


 

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