HANOI | CÁT BÀ | NINH BINH | HUE | HOA AN | DA NANG | SAIGON
Zugegeben, schon lange fiel es uns nicht mehr so schwer ein Land zu beschreiben, zu beurteilen und niederzuschreiben, wie Vietnam. Unser Reisetief, das sich bei mir in Hongkong bereits abzeichnete, gipfelte bei uns beiden in Vietnam. Das Land hatte es wahrlich nicht leicht, uns zu begeistern. Aber beginnen wir von Vorne.
Mit einigen Ängsten im Gepäck, war der Flug nach Vietnam kein leichter Weg für mich. In meinem Kopf kreisten die Schreckensmomente der vergangenen Flüge und der Einstieg in einen Flieger fiel mir plötzlich nicht mehr so locker leicht, wie üblich.
Während wir dieses Mal nur leichte Turbulenzen zu überstehen hatten, klatschte ich umso härter in Hanoi auf. Das dominierende Gefühl der totalen Überforderung durchflutete meinen ganzen Körper und beherrschte mich viele Momente lang und mündete in Panikattacken. Ich kann nicht sagen was es war, das mich emotional so lahmlegte. War es ein Reisetief, war es Angst, war es Heimweh oder waren es schlichtweg die Strapazen und die emotionale Geißelung, die wir in China erlebten? Ich war nicht mehr bei mir und ich war nicht ich selbst und diese Stimmung zog sich durch unsere gesamte Vietnam Tour.
Rouven war in dieser rastlos scheinenden Welt mein wichtiger Rettungsanker und stabiler Halt. Wir versuchten die Tage zu entschleunigen und so ruhig und sorgenfrei wie möglich zu gestalten.
Dieses Unterfangen war auf den Straßen Hanois sehr ambitioniert. Das Verkehrschaos war unbeschreiblich. Überall wuselten die kleinen Zweiräder und machten einen ohrenbetäubenden Lärm. Von allen Seiten kamen sie angerast und nur mit Glück und Gottes Segen konnte man unbeschadet eine Kreuzung überqueren. Die Ampelanlagen waren scheinbar nur ein nett gemeinter Vorschlag und nicht bindend. Zumindest konnte man als Fußgänger keinen Unterschied ausmachen, ob gerade Grün- oder Rotphase herrschte.
Einzig das Lächeln in den Gesichtern der Vietnamesen ließ uns aufatmen. So willkommen haben wir uns lange nicht mehr gefühlt. Hinzu kam das fantastische Essen, das uns an allen Ecken in den „Foodheaven“ katapultierte.
Nach China, Hongkong und Macao, die uns allesamt nicht kulinarisch überzeugten, kam die gute Küche Vietnams genau zum richtigen Zeitpunkt.
Ob die berühmte Pho Suppe oder das unwiderstehliche Bánh mì Baguette, hier kommt jeder auf seinen Geschmack. Unsere Behausung in Hanoi war für unsere Zwecke genau die richtige Wahl gewesen. Auf der großzügigen Terrasse konnte wir uns zurückziehen und verschlangen dort alle mögliche Sorten an Bánh mìs.
Nach einigen Tagen, die wir größtenteils in unseren vier Wänden verbrachten, rafften wir uns auf, ein wenig mehr von der Hauptstadt zu sehen.
In der gleißenden Mittagshitze, versuchten wir uns zur berühmten Trainstreet durchzuschlagen. Dort führt inmitten von Wohnhäusern und Marktständen eine Bahnstrecke entlang. Sobald ein Zug durch die Gassen tuckert, stehen die Touristen Schlange um sich vom Zug im wahrsten Sinne in die Enge treiben zu lassen. Aufgrund mehrerer Unfälle und neuen Sicherheitsbestimmungen, ist das Betreten der Schienen seit Kurzem nicht mehr gestattet und wird streng von Uniformierten bewacht. Dass die Touristen hier nicht mehr an den Hauswänden gequetscht den Zug vorbei rauschen sehen ist verständlich. Allerdings führen die neuen Bestimmungen dazu, dass die Existenz einiger Bewohner nun zerstört ist.
Viele Einheimische haben all ihr Erspartes in Cafés oder Restaurants an den Gleisen investiert und ihre ganze Zukunft in die Hände des Tourismus auf den Schienen gelegt, die nun für immer gesperrt sind. Damit ist auch das Geschäft gegenstandslos geworden und die Menschen stehen vor dem finanziellen Ruin.
Da uns der Mopedverkehr in den Wahnsinn trieb und an entspannte Spaziergänge in nächster Zeit nicht zu denken war, besuchten wir am Abend ein traditionelles Wasserpuppentheater. Der Ursprung dieser Kunstform ist unklar, reicht jedoch weit bis ins 11. Jahrhundert zurück. Unter strenger Geheimhaltung wurden die Geheimnisse des Wasserpuppentheaters nur innerhalb der Familien von Alt nach Jung weitergegeben und findet bis heute Platz in den Herzen und Terminkalendern der Menschen. Der Saal war voll besetzt und die Show begann. Lichter funkelten, Wasser spritzte, ein kleines Orchester mit althergebrachten Musikinstrumenten begleitete das Stück und verzauberte eine Stunde lang das Publikum. Eine schöne Erfahrung, bestückt mit einer Zeitreise in das ursprüngliche Vietnam. Auf den Straßen schien das bunte Treiben weiter zu gehen und Gruppen von Frauen tanzten im Gleichschritt zu den „Vengaboys“.
Wir kämpften uns auch am nächsten Tag durch den Verkehr, überlebten und fanden uns an einer Pagode auf einer kleinen Insel in der Nähe des südöstlichen Ufers des Westsees von Hanoi wieder.
Ein Gruppengebet ließ andächtig seine Klänge verlauten und der Ort, mit seinen vielen Buddhastatuen, hatte etwas beruhigendes. Unser Weg führte uns weiter zum ehemaligen Gefängnis Hanois, das Hoa Lo, das heute in Form eines Museums für Besucher zugänglich ist. Es diente während des Vietnamkriegs als Gefängnis für politisch Gefangene. In Anlehnung an die Hilton Hotels war die ironische Bezeichnung amerikanischer Kriegsgefangener für die Einrichtung „Hanoi Hilton“. Erbaut wurde es bereits 1896 und erst 1993 wurde aus dem Gefängnis das heutige Museum. Erdrückend, beängstigend und grauenhaft. Wieder einmal sprachlos von so viel Brutalität unter den Menschen, verließen wir diesen finsteren Ort.
Auf unserer Terrasse ließen wir den Tag ausklingen. Jedoch nicht, ohne noch einmal die Bánh mì Speisekarte rauf und runter zu bestellen.
Der nächste Tag brachte viel Trägheit, einen neuen Haarschnitt für Rouven, der zeitgleich der kostengünstigste in seinem Leben war und das Packen unserer Rucksäcke.
Wir verließen Hanoi mit gemischten Gefühlen in Richtung Ha Long Bucht und waren neugierig, wie viel Tourismus uns dort erwarten würde.
Per Bus und Fähre waren wir nach knapp drei Stunden am Ziel angekommen. Wir entschieden uns, nicht an der Hauptschlagader der Ha Long Bucht zu nächtigen, sondern auf die Insel Cat Ba überzusetzen. Wir bezogen unsere Unterkunft, die mit 5,50 € pro Nacht im Doppelzimmer inklusive Frühstück und steinharten Matratzen zu überzeugen wusste.
Nachdem wir die Bootstour durch die Ha Long Bucht für den Folgetag gebucht hatten, genossen wir die wohltuenden Ziegelsteine, die als Füllmaterial für unsere Matratzen missbraucht wurden, unteren unseren müden Körpern.
Mit viel Hoffnung starteten wir in den Tag, denn unser Touranbieter sollte laut intensiver Netzrecherchen, eine Route abseits der üblichen Touristen Pfade ansteuern.
Eine sympathische Gruppe von ca. 20 Menschen versammelte sich auf dem alten Kahn mit Sonnendeck und stach in See.
Von der ersten Sekunde an, war die Aussicht herrlich und wurde von Minute zu Minute immer beeindruckender. Große Felsen ragten aus den Tiefen des Wassers und standen wie mächtige, unbändige Riesen in der azurfarbenen Bucht. Kein anderes Touristenboot kreuzte unseren Kurs. Wir beobachteten Fischer und Familien, die von und auf der Ha Long Bucht lebten und staunten erneut über so viel Armut und zugleich so viel Zufriedenheit in den Gesichtern der Menschen.
An einigen Felsformationen gab es hauchzarte Andeutungen von Stränden, die darauf warteten erobert zu werden. Sie waren nur wenige Meter lang und breit und schienen unberührt. Bis wir kamen…
Pünktlich zur Mittagspause sprangen alle ins Wasser und schwammen im Glück. Zu unserer Überraschung war das nasse Element wärmer als die Außentemperatur und mit dem Sand zwischen unseren Zehen bestaunten wir die massive Schönheit um uns herum.
Nachdem der Vormittag zumindest sonnig war, zog es sich am Nachmittag zu und auf dem Boot wechselte der Dresscode von Bikini zu Pulli. Der Gegenwind war kalt, das Wasser wurde rauer und die Rückfahrt wellig.
Trotz aller negativer Gedanken und der Unsicherheit in mir, ob ich weiterreisen kann, war dieser Tag einmalig schön. Aus genau solchen Erlebnissen zieht man die Energie und schöpft Mut für Neues.
Als wir am Abend auch noch Rosa und Tim kennenlernten, ein deutsches Paar aus München, schien der Tag vollkommen. Die beiden hatten neben uns im Wasserpuppentheater in Hanoi gesessen und Rouven hatte sie wieder erkannt. Aus unserem Plan, nur kurz was zu essen, wurde ein feuchtfröhlicher Abend und unsere Kehlen wurden mit ordentlich Bier durchgespült. Unser Versprechen, das nächste Oktoberfest 2020 gemeinsam zu feiern, wurde notariell beglaubigt. Es würde unser erster Besuch auf den Wiesn werden.
Zu dem Kater am nächsten Morgen, gesellte sich noch ein geisteskranker Busfahrer, der uns schnell wieder nüchtern machte. Das ausgestoßene Adrenalin, nach jedem seiner Überholmanöver, verdrängte den Restalkohol aus den Adern. Alle Businsassen waren heilfroh in Tam Coc und in einem Stück angekommen zu sein. Abseits der Stadt, hatten wir ein kleines familiengeführtes Hotel gefunden. Neben der Abgeschiedenheit, konnte es mit einer wahrhaft köstlichen Küche punkten. Der erste Advent stand vor der Tür, doch ein weihnachtliches Gefühl stieg nicht in uns auf. Wir trotzten dem Weihnachtsblues und machten uns auf, den Drachenberg zu bezwingen.
Um möglichen Touristenmassen zu entgehen, krähte unser Wecker mal wieder vor dem ersten Hahn. Mit Kopflampen an der Stirn, radelten wir im Morgengrauen zum Berg. Unser Glück war, dass zu diesem frühen Zeitpunkt die meisten Einheimischen noch schliefen. Auf der Wegstrecke zum Portal des Berges, stehen sonst dreiste Betrüger, die von den Radfahrern illegal Geld kassieren. Mit Trillerpfeifen und maximaler Aggression, versuchen sie die arglosen Touristen vom Rad zu holen, damit diese dann ein Wegezoll entrichten. Die Müdigkeit in den Knochen machten den Aufstieg zu einer Tortour und mit jeder Treppenstufe zum Gipfel schwanden unsere Kräfte. Außer Atem und keuchend kamen wir auf der ersten Plattform zum Erliegen. Nur wenige Touristen waren um uns herum und zufrieden stellten wir fest, dass wir mal wieder den Massen entkommen waren. Es war neblig und das Wetter für die Aussicht nicht optimal. Dennoch genossen wir den Anblick der überfluteten Reisfelder unter uns und die frische Luft oben am Berg.
Je später es wurde, desto lauter vernahmen wir das Stimmengewirr aus dem Tal. Aus der Vorahnung wurde beim Abstieg Realität. Ganze Busladungen an Menschenmassen wurde vor dem Eingang entleert und schreiend kamen uns die chinesischen Reisegruppen entgegen. Der Ort hatte für diesen Tag seinen Zauber verloren.
Die Landschaft um Tam Coc in Ninh Binh ist malerisch schön und mit dem Rad erkundeten wir am Vormittag die weitere Umgebung. Nicht umsonst nennt man diese Gegend auch die trockene Ha Long Bucht und wie versteinerte Giganten sprießen auch hier die Karstberge aus dem Boden.
Als sich der Himmel zuzog, öffneten sich plötzlich die Schleusen über unseren Köpfen. Von jetzt auf gleich prasselte es eimerweise Regen auf uns nieder. Unter einem Baum suchten wir nach Schutz und warteten, bis die Sonne schließlich das Duell mit dem Himmel gewann und wir unsere Radtour fortsetzen konnten.
Gutes Sitzfleisch brauchten wir für den folgenden Tag. Denn 12 lange Stunden im Zug sollten uns von Tam Coc nach Hue bringen. In der Wartehalle des Bahnhofs vernahmen wir aufgeregtes Tuscheln hinter uns. Nach einem kurzen Schulterblick erspähten wir eine niedliche Großfamilie mit zwei kleinen Kindern. Etwas schüchtern fragten sie nach Fotos mit uns und auch wir bekamen als Gegenleistung ein hinreißendes Selfie mit der gesamten Gruppe. Für die Kinder waren wir mit unseren westlichen Gesichtern so interessant, wie Popstars.
Im Zug jedoch hätten wir keine Starallüren auspacken dürfen, denn jegliche Idee von Komfort konnten wir für die kommenden 12 Stunden streichen. Unsere Sitzplätze boten einen jämmerlichen Anblick, der sich beim Ausblich aus dem Zugfenster weiter trübte. Denn die Fensterscheiben waren über die Jahre „erblindet“, sodass man nun auf ein Milchglas, statt der üppigen Landschaft schauen durfte. Dabei hatten wir uns bewusst für eine Zugfahrt am Tag entschieden, damit wir mehr von dem Land sehen können. Als wäre das nicht schon genug der schlechten Nachrichten, hingen die Köpfe unsere Vorderleute auf unseren Schößen. Die Lehne der Sitze waren defekt und ließen sich nicht mehr in die Vertikale einstellen. Kurzerhand kritzelten wir uns neue Platzreservierungen auf unsere Tickets und wechselten das Abteil. Während Zugfahren zu unserem liebsten Fortbewegungsmittel gehört, war diese Fahrt jedoch zäh und anstrengend. Die Essenwägen hinterließen einen Geruch des Grauens, Kakerlaken huschten über die Flure und von der Toilettensituation nehmen wir hier lieber Abstand.
Immerhin wurden wir mit unserer Unterkunft in Hue, der alten Kaiserstadt, für unsere Strapazen belohnt. Obwohl wir sehr erschöpft und müde waren, trieb uns der Hunger vor die Tür. Nie waren wir dankbarer dafür. Der Weg führte uns zu einem Restaurant, vor dem eine Liveband ihr Bestes gab. Der Frontsänger versuchte krampfhaft eine Mischung aus Michael Jackson und Freddy Mercury zu sein und war am Ende, viel mehr Cher. Er zog mit seiner Aura alle Umstehenden in seinen Bann und wir tanzten zu „Billy Jean“ in Vietnam.
Dass der folgende Tag nichts als Regen brachte, kam uns entgegen. Unser Reisetief war nach wie vor präsent und so erholten wir uns im Hotel und recherchierten die nächsten Schritte. Nach der willkommenen Pause zog es uns zur kaiserlichen Zitadelle. Diese stellte sich als echtes Highlight heraus. Es gab viel zu entdecken. Schöne Grünanlagen mit kleinen Bonsai Gärten und filigrane Details an den Gebäuden ließen die Kamera glühen. Besonders die liebevoll gepflegten Bonsai Bäume hatten es uns angetan. Als hätte man große Bäume mit kräftigen Stämmen und Kronen geschrumpft.
Der Ausflug tat gut und nach einem phänomenalen Essen in einem landestypischen Restaurant ging auch dieser Tag zu Ende und der Aufenthalt in Hue ebenfalls. Der Regen sollte auch die kommenden Tage unser Begleiter sein. Es war unerwartet kalt und unsere letzten Kleiderreserven kamen zum Einsatz. Der nächste Halt auf unserer Route war, nach einer dreistündigen Zugfahrt, die Stadt Da Nang. Im Zug gab es dann zur Abwechslung mal eine positive Überraschung. Clemens und Sandra, zwei Deutsche aus Wiesbaden, trafen wir nun schon zum dritten Mal auf unserer Reise durch Vietnam. Wir sahen es als Wink des Schicksals und tauschten unsere Kontakte. Leider trennten sich hier unsere Wege. Die beiden waren auf dem Weg zum Flughafen, um nach Puh Quoc zu reisen, während wir mit dem Taxi nach Hoi An fuhren. Auf der Fahrt dorthin, hielten wir bei den bekannten Marmorbergen von Da Nang. Einige Passagen in den Bergen waren tiefe Höhlen, die als Tempel genutzt wurden. Die größte Höhle hatte tatsächlich die Ausmaße einer Kathedrale und war beeindruckend. An der Decke klafften drei große Löcher, die durch Bombeneinschläge der Amerikaner während des Vietnam Krieges entstanden.
Bei der Weiterfahrt im Taxi stellte unser Fahrer sein Multitasking Talent auf die Probe, indem er auf einem kleinen Fernseher Fußball guckte, zeitgleich an seinem Handy spielte und dabei noch mit einem halben Auge auf die Straße blickte. Trotzdem kamen wir unbeschadet am Hotel an, das sich sofort als eine Wohlfühl Oase herausstellte. Wir brauchten nicht lange überlegen und verlängerten direkt unseren Aufenthalt um einige Tage. Das Hotel war neu und gerade fertiggestellt. In unserem Zimmer lud uns eine großzügige Badewanne zum Verweilen an und auch sonst traf das Interieur unseren Geschmack. Als wir dann auch noch lernten, wie wir Essen ins Hotel bestellten, war es um uns geschehen.
Draußen war das Wetter weiterhin durchwachsen und so bestellten wir tonnenweise Essen ins Hotel und versteckten uns hinter viel Schaum in der Badewanne. Wir waren wohl die faulsten Touristen, die diese Stadt je gesehen hat. Und diese Stadt hat bereits sehr viele Touristen gesehen.
Irgendwann verließen wir unser Nest und machten einen Rundgang durch die gut erhaltene und schöne Altstadt Hoi Ans. Den Status als UNESCO Weltkulturerbe war für die Stadt Fluch und Segen zugleich. Denn scharenweise Touristengruppen aus China und Südkorea fielen wie Heuschrecken in die kleinen Gassen ein. Wie das Licht die Motten, lockten die bunten Lampions der Stadt die Massen an. Die Einheimischen können ihre eigene Stadt lediglich in den frühen Morgenstunden für einen kurzen Kaffee genießen. Ab 09:00 Uhr rollen die ersten Busse an. Dann geht der Spuk täglich von Vorne los.
Als sich das Wetter am sechsten Tag endlich verbesserte und die Sonne hoch oben am blauen Himmel strahlte, reisten wir ab. Mit dem Taxi ging es zurück nach Da Nang, denn von hier würde in zwei Tagen unser Flieger nach Ho Chi Minh City gehen. Da Nang war an Unattraktivität kaum zu übertreffen und trotz des starken Windes, machten wir einen langen Spaziergang am Strand.
Unser Weg führte uns vom Strand weiter durch die Stadt zur Drachenbrücke und dem Fluss.
Apropos Brücke - die durch Social Media bekannt gewordene Goldene Brücke, die auf Händen getragen wird, war der ursprüngliche Grund gewesen, weshalb wir Da Nang einen Besuch abstatten wollten. Enttäuscht mussten wir allerdings feststellen, dass diese nicht frei zugänglich in der Natur, sondern in einem Freizeitpark errichtet wurde. Durch diese medienwirksame Inszenierung des Tourismusverbandes werden jedes Jahr Tausende von Touristen in diese ansonsten hässliche Stadt geködert. Für 30 € Eintritt pro Person hätten wir uns das auf Antik gefakte Brückenstück anschauen dürfen. Zum Vergleich, kostet eine Übernachtung in einem Mittelklassehotel in Vietnam etwa 25 € im Doppelzimmer. Wir verzichteten auf diesen Touristennepp und fanden witzigerweise einen Nachbau der Brücke im kleineren Maßstab in einem Restaurant.
Wir waren froh, als wir die Stadt Da Nang hinter uns lassen durften und flogen nach Ho Chi Minh City aka Saigon im Süden Vietnams. Dort trafen wir dann ein viertes Mal auf Clemens und Sandra. Anders als bei den vorigen Treffen, hatten die beiden es dieses Mal nicht dem Zufall überlassen und in unserem Hotel eingecheckt.
Es war wirklich schön, sie wiederzusehen und so nah bei uns zu wissen. Während ich mich noch mit einer starken Erkältung herumschlug, machten die drei einen Ausflug durch die Stadt.
Nach wochenlanger Kälte im Norden Vietnams, gab es in der Großstadt wieder Temperaturen weit über der 30° Marke zu spüren. Trotz der Hitze lief des den Dreien beim Besuch des Kriegsmuseums eiskalt den Rücken herunter. Das Museum ist bekannt dafür, die Gräueltaten des Vietnamkrieges schonungslos offenzulegen. Und das ist sehr harte Kost und viele Besucher kommen an ihre Belastungsgrenze. Leute hatten Tränen in den Augen, mussten sich setzen oder den Besuch vorzeitig abbrechen. Die ausgestellten Exponate und Bilder waren einfach zu schrecklich. Es herrschte eine gespenstische Stille und jeder war in sich gekehrt und geschockt. Mit einer Ausnahme; eine chinesische Reisegruppe, mal wieder, fand die Ausstellung äußerst belustigend. Lachend und feixend liefen sie zu den Exponaten und machten Selfies vor Waffen und Fotografien mit Kinderleichen. Per Facetime wurden Verwandte dazu geschaltet, damit diese auch die verkohlten und verstümmelten Überreste von Brandopfern durch Napalmbomben zu sehen bekommen. Kürzlich wurde ein neuer Begriff geprägt, nämlich der, der Ekpathie. Dieser beschreibt das Gegenteil von Empathie, dem angemessenen Umgang mit emotionalen Herausforderungen und den Gefühlen anderer Menschen. Als Beschreibung hätte man auch einfach China, als das Gegenteil von Empathie nutzen können…
Am Abend flogen Clemens und Sandra zurück in die Heimat und für uns endete das Kapitel Vietnam. Ein wirkliches Fazit über unsere Zeit können wir nur schwer ziehen, fand doch alles hinter einem Nebelschleier statt. Das Wetter war meist kalt und regnerisch, die Stimmung in uns glich sich dem Wetter an und viel mitbekommen haben wir von unserer Umwelt nicht. Das Land wird uns in Erinnerung bleiben, mit sehr gastfreundlichen Menschen, fantastischem Essen und tollen Begegnungen mit anderen Reisenden. Vietnam gab uns die Zeit die wir brauchten, um wieder in Form zu kommen und in die Spur zurück zu finden.
Cảm ơn!
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