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  • AutorenbildMaj & Rouven

#storyderwoche 09

Ein schwarzes Kapitel.


Die Welt zu bereisen ist ein spannendes Abenteuer. Ein Rausch der Gefühle, ein nie zu enden scheinender Traum, in dem die Realität zeitweise verschwimmt. Manchmal zeigt sich diese verschwimmende Realität von seiner grausamsten Weise und man wünscht sich zurück in diese rosarote Traumwelt.

Dies ist eine Geschichte über die Abgründe der Menschheit…

Wer nicht mit Scheuklammen durch das Leben geht und diese wunderschöne Welt bereist, stößt manchmal an seine körperlichen sowie mentalen Grenzen. Es gibt Orte auf dieser Welt, die sind bekannt für ihren Sextourismus. Ein Sündenpfuhl für vorwiegend ältere Männer, westlicher Herkunft, die in ihrer Heimat scheinbar chancenlos auf Liebe sind. Mit ihren harten Devisen in der Tasche und der Anonymität im Rücken, spielen sie selbst den Amor und kaufen sich eine Ersatzbefriedigung. Was wir lediglich aus TV Dokumentationen her kannten, mussten wir nun live und in Farbe mit ansehen. In Teilen Kambodschas war die Prostitution bereits allgegenwärtig, wenngleich noch etwas hinter verschlossenen Türen. Die Bilder von verschwitzen, fettbäuchigen, alten Männern, die „heldenhaft“ eine junge Einheimische umschlangen, konnten wir noch irgendwie von unseren geistigen Festplatten löschen. Was wir allerdings auf Madagaskar sahen, brannte sich auf unsere Netzhaut ein und werden wir nie mehr los werden.

Madagaskar. Dieses Land gleicht einem Traum aus atemberaubender Landschaft und fröhlichen Menschen. Als wir nach 10 Tagen Rundreise durch das Land am beliebten Strandort Ifaty ankamen, wurde aus diesem Traum ein Albtraum.

Während wir auf unserem bisherigen Roadtrip kaum anderen Touristen begegneten, blickten wir bereits bei der Ankunft im Hotel in viele westliche Gesichter. Ausnahmslos skurrile Personen tummelten sich in der Hotelanlage. Für den ersten Augenblick, konnten wir die Situation nicht einschätzen. Vorwiegend ältere Herrschaften, meist allein reisend, hingen in den Lounge Möbeln ab und unterhielten sich angeregt mit Ihresgleichen. Offensichtlich kannte man sich hier untereinander gut und alle schwammen auf derselben Welle. Und diese Welle brach am frühen Abend wie ein Tsunami durch unsere Körper. Was zunächst eine vage Vermutung war, sollte sich nun leider durch alle Klischee Schubladen arbeiten. Wir waren mitten in einem Sexhotel gelandet. In der Dämmerung kamen die Monster aus ihren Bungalowhöhlen, gefeiert von widerlichen Swingerpaaren aus Europa, die sich zur Abwechslung ihrer kranken Fantasien, mal eine exotische „Schwarze“ kaufen wollten. Diese Trophäe wurde dann stolz auf der Sofalandschaft präsentiert und jeder durfte mal anfassen.

Die jungen Madagassinnen machten gute Miene zum bösen Spiel. Was blieb ihnen in ihrer Perspektivlosigkeit auch anderes übrig?!

Auf unserer Reise durch Madagaskar trafen wir fast durchgehend auf bitterliche Armut. Die Menschen kämpfen tagtäglich ums Überleben und sind trotz dieser Ausweglosigkeit überaus freundlich und positiv gestimmt. Wo wir auch hinkamen, die Menschen empfingen uns mit offenen Armen und einem liebevollen Lächeln im Gesicht. Doch in Ifaty gab es keine Freundlichkeit. Kein fröhliches und ehrliches Lächeln. Wer hier als Tourist herkam, der hatte entweder schlecht recherchiert (so wie wir), oder der wollte den Menschen das letzte Bisschen rauben, was sie noch besaßen. Ihre Würde! Und wäre das nicht schon der Gipfel der Abscheulichkeit gewesen, sahen wir plötzlich das allerschlimmste Szenario an der Bar sitzen. Neben einem älteren Mann, nahmen zwei Kinder im Alter von 9-13 Jahren Platz. Für kurze Zeit flammte etwas Hoffnung in uns auf, dass es vielleicht alles ganz harmlos war. Doch auch diese schöne Illusion würde jäh zerstört, wie das Leben dieser kleinen Geschöpfe.

Als der alte Mann mit den beiden Kindern Arm in Arm in seinem Bungalow verschwand, riss es uns den Boden unter den Füßen weg. Mehr als ein „Shame on you!“ schaffte es nicht über unsere Lippen. Wir waren wie gelähmt gewesen…Dann schossen unaufhaltsam Tränen in unsere Augen. Untermalt wurde das Ganze durch gellendes Gelächter am Nebentisch. Dort hatten sich mehrere Swinger bequem gemacht und lechzten an ihrer frischen Beute, wie Hyänen.

An unserer Seite war unsere lieber Freund Thomy, mit dem wir gemeinsam das Land Madagaskar bereisten. Allesamt sind wir reiserfahren und haben schon viel von der Welt gesehen. Allesamt sind wir Personen, die sich nicht scheuen einzugreifen und ihre Meinung kund zu tun. Doch in einen solch tiefen Abgrund der menschlichen Seele hatten wir noch nie geblickt.

Das Geschehene war für uns zu schell, um es begreifen zu können. Die gesammelten Informationen mussten sich durch unsere Schutzmauern im Gehirn kämpfen, bis wir endlich handlungsfähig werden konnten.

Ursprünglich hatten wir in diesem Hotel drei Nächte gebucht, um am Strand zu lesen und uns von den Reisestrapazen des Roadtrips zu erholen. Nach den menschlichen Tragödien des Vorabends war klar, dass wir dieses Moloch sofort verlassen. Wir konfrontierten die Hotelangestellten offen mit der Kinderprostitution und wollten mit dem Manager sprechen. Dieser ließ sich verleugnen und immer mehr Widersprüchlichkeiten wurden zu Tage gefördert. Sie zeigten uns Ausweise von Prostituierten, dass alle volljährig seien, leugneten zeitlich jedoch, dass Prostitution überhaupt ein Thema in diesem Hotel sei. Derweil wurden wir von allen umstehenden Gästen genauesten beäugt und die Stimmung wurde immer schwieriger für uns. Offenbar war ihnen ihr „Sexparadies“ heilig und das Geheimnis dieses Verbrechens sollte nicht nach Draußen getragen werden. Als uns mit der Polizei gedroht wurde, war uns schnell klar, dass auch von deren Seite keinerlei Hilfe zu erwarten war. Zu groß ist die Korruption im Land und wenn man irgendwie Geld verdienen kann, dann ergreift man die Chance. Uns verblieb nur der Rückzug und das Versprechen, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Mittlerweile stehen wir mit Menschenrechtsorganisation in Kontakt, die sich sehr ernst mit dem Thema beschäftigen und sich bereits an weitere Behörden gewandt haben.

Es bleibt uns nur zu hoffen. Zu hoffen, auf eine bessere Zukunft all der Kinder, Frauen und Männer, die der modernen Sklaverei unterliegen. Zu hoffen, auf die Stärke der Organisationen, die bereits tätig sind im Kampf gegen den Sextourismus.



 


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