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  • AutorenbildMaj & Rouven

USA 04 - "Windy City"

Aktualisiert: 17. Aug. 2019

CHICAGO


Nach der aufregenden Weltmetropole New York City, folgt nun Chicago. Einst die Mafiahochburg zu Zeiten der Prohibition. Wo Gangster, wie Al Capone das Sagen hatten und deutsche Architekten Geschichte schrieben.

Als vierte Großstadt in Folge hatte es die „Windy City“ wahrlich nicht leicht. Nach eindrucksvollen und anstrengenden Wochen in Großstädten, sehnten wir uns nach Ruhe und Natur. Doch zwischen uns und der Wildnis lagen noch fünf Tage Großstadtdschungel. Unsere Anreise nach Chicago sollte dieses Mal auf Schienen und nicht in der Luft erfolgen. Wir winkten New York City zum Abschied „Good Bye“ und fuhren die ersten Meilen Richtung Chicago am Hudson River entlang. Wie die meisten Dinge in den USA, war auch unserer Zug in XXL, mit entsprechend großer Beinfreiheit. Die Fahrt sollte uns in 21 Stunden quer durch die Bundesstaaten New York, Pennsylvania, Ohio über Indiana bis nach Illinois Chicago bringen. Überraschenderweise verflogen die Stunden im Nu und der Zug tuckerte angenehm durch die vorbeirauschende Landschaft.



Die Passagiere holten ihre Speisen aus den Taschen oder bedienten sich im Bord Bistro und auch wir vertilgten unser mitgebrachtes Abendbrot. Es war eine angenehme Stimmung und als es dunkel wurde, versuchten wir uns in eine erträgliche Schlafposition zu bringen. Was mehr oder weniger auch klappte. Die Sonne kitzelte uns durch die Fensterscheiben wach und nach einer kurzen und unruhigen Nacht, erwachte der Zug wieder zum Leben. Mit zwei Stunden Verspätung kamen wir nach knapp 24 Stunden endlich an. Chicago begrüßte uns an der Union Station gleich spektakulär mit Drehorten zu "The Untouchables".





Unser Apartment befand sich in einem ausgesprochen schönen Viertel außerhalb Downtowns und durch das Fenster konnten wir sogar den Lake Michigan erspähen. Wir fühlten uns direkt wohl. Die Sonne strahlte vom blauen Himmel, es war heiß und Zeit für einen Ausflug an den nahegelegenen Stadtstrand. Am Lake Michigan, reihten sich die Sonnenanbeter bereits Handtuch an Handtuch.

Schlimmer als Mallorca zur Hochsaison, war kaum ein Fleckchen Sandstrand auszumachen. An diesem herrlichen Sonntag wollte scheinbar jeder Großstädter die Vorzüge seiner Stadt auskosten. So lockte der Hafen, der Strand und die vielen Wasseraktivitäten alle zum See. Einige Leute fuhren mit ihren Kajaks und Booten raus, andere tollten in den Wellen und einige dösten in der Sonne. Mit der Skyline im Blick und dem See vor der Nase, sicherten wir uns ein Plätzchen und genossen den Moment. Trotz der Massen an Menschen: die unerwartete Gelegenheit sich im See abzukühlen und einen Moment Urlaubsgefühl zu tanken überwog und wir blendeten das Drumherum aus.




Der Lake Michigan ist gigantisch groß und die andere Uferseite blieb unseren Augen verborgen. Ein Aquarell aus perfektem Himmelblau und dem See verschmolzen am Horizont zu einem Gemälde. Weder Rouven noch ich hatten vorab eine konkrete Vorstellung von dieser Stadt.

Doch Chicago schaffte es, uns nach kurzer Zeit bereits zu verzaubern und Ruhe kehrte in uns zurück. Eine Ruhe, die wir in den USA bisher vermissten und uns ersehnten.

Ausgeschlafen, frisch und munter starteten wir am nächsten Tag in Richtung Downtown.

Und wie am Vortag stellten wir auch heute fest: Chicago ist anders. Anders als die vielen Großstädte der USA. Trotz der Hochhäuser entsteht ein Gefühl der Freiheit, der Großzügigkeit und der Zufriedenheit. Viele Parkanlagen ermöglichen es den Menschen mitten in der Stadt zur Ruhe zu kommen. Das viele Grün und die summenden Bienen sind Balsam für Geist und Seele. Faszinierende Architektur und die vielen Wasserwege innerhalb der Stadt, runden das positive Bild Chicagos ab.




Im Monroe Park befindet sich ein absolutes Highlight der Stadt. „The Bean“ ist eine verspiegelte Skulptur in Bohnenform. Dieses Landmark zieht die Besucher magisch an und verzaubert mit seiner simplen Genialität. Die komplette Umgebung spiegelt sich in ihr und die Menschen versuchen aus jedem Winkel das perfekte Selfie für Instagram zu schießen.

Die Reflexion der Wolken, der Skyline und der Personen lässt „The Bean“ wohl zum schönsten Spiegel der Welt werden.





Unsere Rosarote Chicago Wolke, auf der wir durch die Stadt schwebten, wurde lediglich bei dem Besuch des Sky Towers kurz getrübt. Die Aussichtsplattform erwies sich als stark renovierungsbedürftiges und vollkommen überteuertes Hochhaus.

Die Fensterscheiben waren dreckig und voller Spinnweben, der Besucherbereich veraltet und die Angestellten unfreundlich.

Der eigentliche Höhepunkt des Besuchs sollte ein verglaster Kubus sein, der an das Hochhaus gekoppelt war. Betrat man diesen, stand man nun über der Stadt und auf weichen Knien. Wären die Scheiben nicht so sehr zerkratzt gewesen und hätten wir etwas mehr Zeit als die zugewiesenen 10 Sekunden gehabt, hätte es sogar zu einem Adrenalinschub kommen können. Am Ende sollten wir noch 30 $ für ein schlechtes Erinnerungsfoto hinblättern. Was für eine Enttäuschung und Touristennepp!





Unweit unseres Apartments liegt das Baseball Stadion der Chicago Cubs. Dieser Club muss unglaublich beliebt sein. Denn egal wo man sich in Chicago aufhält, irgendeiner trägt immer etwas Merchandise am Körper. Seit unserer Ankunft wurde dort täglich ein Spiel ausgetragen. Ob spät am Abend oder mitten am Tag; das Stadion war prall gefüllt und die Fans pilgerten zu ihrer heiligen Stätte.

Es beschlich uns das Gefühl, dass es weniger um die Sportart an sich, als viel mehr um das Miteinander und den Austausch mit Freunden beim gemeinsamen Stadionbesuch ging. Die Tribünen wurden auf den anliegenden Hochhäusern erweitert und das gesamte Viertel schien sich in das Stadion zu integrieren.



Graue Wolken, Wind und starker Regen begrüßten uns am nächsten Tag. Perfektes Wetter also, um mal wieder ausgiebig zu shoppen. Parallel dazu, schauten wir uns markante Bauwerke an und bestaunten die berühmte Architektur der Stadt.

Architekten, wie der Bauhausmeister Ludwig Mies van der Rohe und der Amerikaner Frank Lloyd Wright waren prägende Gestalter der Skyline Chicagos, nachdem die Stadt bei einem Brand im Jahr 1871 fast vollständig zerstört wurde. Historie, Moderne, Natur, Hochhäuser, Parkanlagen und Umweltbewusstsein reichen sich in Chicago die Hände und vereinen sich zu einer perfekten Symbiose. Wir verliebten uns mehr und mehr in diese facettenreiche Stadt.








Als der Himmel etwas aufklarte, flanierten wir über den River Walk. Der Weg ist gesäumt von Restaurants und Bars und viele Menschen genießen dort ihre Mittagspause am Wasser.




Die Kirsche auf der Sahne, bot sich am Abend mit dem lang ersehnte Fußballspiel der Chicago Fire. Vor 16 Jahren wollte Rouven schon einmal seinen „Länderpunkt“ USA kreuzen. Damals, als junger Backpacker lost in L.A, hatte er zu viel Respekt gehabt, zwei Stunden mit der U-Bahn durch Ghettos fahren zu müssen, um ein Fußballspiel zu sehen. Dieses Mal war der Weg zum Stadion ähnlich beschwerlich, wenngleich nicht so gefährlich. Eine knappe Stunde Busfahrt auf dem Highway trennten uns von dem Ground. Ein Duzend Stadien existieren seit Jahren im inneren Stadtkreis. Weshalb die Chicago Fire ausgerechnet in der Peripherie ihre Spiele austragen müssen, bleibt uns ein Rätsel. Da wundert es nicht, dass der Zuschauerschnitt grottenschlecht und die Stimmung, naja „amerikanisch“ ist.

Die wenigen Fans konnten direkt mit ihren riesigen Autos an das Stadiontor fahren, bauten ihre Pavillons auf und fingen an zu grillen. Erneut beschlich uns das Gefühl, dass es hier weniger um das Spiel oder sogar die Sportart geht, sondern ein geselliges Miteinander mit Familie und Freunden im Vordergrund steht. Was per se nicht verwerflich und sehr positiv ist. Für uns als Stadionenthusiasten aber sehr befremdlich ist und wir uns mehr Stimmung gewünscht hätten. Die Kontrollen fielen zum Glück harmlos aus und so konnten wir uns im gesamten Stadion frei bewegen.

Während sich die Spieler warm machten, gingen wir hinunter an den Spielfeldrand. Und dann sahen wir ihn endlich; unseren Weltmeister von 2014, unseren Helden von Rio, unseren Bastian Schweinsteiger.

Mittlerweile komplett ergraut, dehnte er vorbildlich seine dicken Waden und blickte ins gähnend leere Stadion.

Somit entging ihm auch nicht der große Zappelphilipp hinter der Bande, der wie wild zu ihm herüber winkte. Rouven, aufgeregt wie ein kleines Kind eingesperrt in einem Spielzeugladen, wurde dann noch glücklicher, als der Weltmeister ihm per ausgestrecktem Daumen zurück grüßte.






Das Fußballspiel war unterhaltsam und endete torreich mit 2:2. Interessant war zu beobachten, wie der „Capo“ der Chicago Fire versuchte, die 20 Fans in der Kurve zu motivieren, seinen Gesängen zu folgen und seinem Klatschen beizustimmen. Er war das perfekte Abbild eines Nerds, der seine digitalen vier Wände nur für die Chicago Fire zu verlassen schien. Zum Glück erhielt er ab Halbzeit Zwei Unterstützung von weiteren Capos, die immer wieder auf das Podest kletterten und ihr Bestes gaben, um die „Meute“ anzuheizen. Letztlich scheiterten sie jedoch alle an der schwachen Fanszene der Chicago Fire. Wir jedenfalls hatten unseren Spaß und salutieren vor so viel Ehrgeiz.



Wir sind es mittlerweile gewohnt, dass die Zeit auf unserer Reise sehr schnell vergeht und an uns vorbeirauscht. So galt es wieder ein Kapitel zu schließen. Ein überraschend schönes Kapitel „Chicago“. Per Nachtflug sollte es zur nächsten Station Anchorage Alaska gehen. Somit konnten wir den Tag nutzen, um noch etwas durch unser tolles Wohnviertel zu schlendern. Rouven ging zum Figaro und danach besuchten wir den Graceland Friedhof. Die parkähnliche Anlage war außergewöhnlich schön und Bauhausmeister wie Ludwig Mies van der Rohe und László Moholy-Nagy finden hier ihre letzte Ruhe.




Der Spaziergang bildete einen tollen Abschluss. Chicago war genau die richtige Brücke zwischen der hektischen Großstadt New York City und der Einsamkeit Alaskas. Rückblickend waren alle vier Städte absolut konträr, faszinierend und unvergesslich. Einige waren hektischer, andere waren ruhiger, aber alle waren sie einzigartig und besonders.


 

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